Servus Zusammen!
Eigentlich wollte ich hier aus bekannten Gründen ja nix mehr posten. Weil in dem Thread hier aber viel Falsches/Undifferenzierte steht und hier ja auch Anfänger/weniger technisch Informierte mitlesen, halte ich eine Aufklärung für wichtig.
Zunächst - das haben die Vorschreiber ja schon angemerkt - ist PVC nicht gleich PVC und das unreflektierte zusammenwürfeln verschiedener PVC-Systeme in der Argumentation ist alleine schon unzulässig, da die Systeme alle verschiedene Eigenschaften haben. Hier ist der Hinweis von Bernd Kolberstaedt von gestern 16:00 Uhr m.M.n. am zielführendsten. PVC-U - der Werkstoff, der bei fachgerechtem Anlagenbau in der Meeresaquaristik üblicherweise für Verrohrungen zum Einsatz kommt - jedenfalls gibt keine Weichmacher ab ans Wasser ab, weil er eben keine enthält. Aber das ist ja eh Offensichtlich und nicht weiter spektakulär.
Richtig ist, dass Rohrsysteme aus PVC-U nur eine Zulassung für sogenanntes Kaltwasser haben.
Das hat auch einen guten Grund. Allerdings sind die zitierten Normen (DIN 1988-2) seit 2012 zurückgezogen, ebenfalls die Beuth Kommentare dazu gelten nicht mehr. Die "aRdT" sind heute die Grundlagennormen DIN EN 806-1 bis 5, DIN EN 1717 und die nationalen Ergänzungsnormen DIN 1988-100 bis 600. Und selbstverständlich wie Eingangs erwähnt die Leitlinien des Umweltbundesamtes (z.B. KTW Leitlinie) und des DVWG. Aber das nur zum Formalen, dass ändert nix an der Tatsache hinsichtlich PVC-U.
Warum ist das also so?
Man spricht im Trinkwasserumfeld von drei "Trinkwasserkategorien": Kaltwasser (je nach Norm/Leitlinie Zielhaftigkeit ist das <20°, <25° oder 23°+/- 3°), Warmwasser (30°-60° bzw, 60° +/-2°) und Heißwasser (>60° bzw. 85° +/-2°). Was man noch wissen muss/sollte um die Werte zu beurteilen: Die Werte haben alle Sinnhaftigkeit und sind selbstverständlich mit Fachkompetenz und Hintergrund entstanden aber gerade im Normenwesen (ich war selbst jahrelang in DIN Gremien gesessen) ist man mit Vorgaben immer mit einem relativ hohen Sicherheitsfaktor schnell in der Kategorie "Hosenträger und Gürtel". Mann kann also auch an den Grenzen der Bereiche bzw. bei einer leichten Überschreitung i.d.R. ein ruhiges Gewissen haben.
PVC-U hat u.a. die Eigenschaft, dass es nicht dauerhaft Heißwasserbeständig (hydrolysefest) ist. Mit steigender Temperatur und ab einer gewissen Grenze (meist um die 45° rum) verlieren PVC-U Rohrsysteme ihre Fähigkeit üblichen Trinkwasserleitungsdrücken Stand zu halten, es können sich Leckage bilden, durch die das Trinkwasser verunreinigt wird oder Wasserschäden entstehen. Freilich werden bei den höheren Temperaturen und der einsetzenden Aufspaltung des PVC-U durch Reaktion mit Wasser dann auch Stoffe an das Wasser abgegeben - das ist klar und das will man selbstverständlich im Warm- und Heißtrinkwasser auch nicht haben.
Die Zulassung/Nicht-Zulassung von PVC-U ist also zunächst eine Zulassung/Nicht-Zulassung für die Trinkwasserkategorien (Kalt/Warm/Heiß) und erst in zweiter Linie und das indirekt für einen Temperaturbereich. Der Umkehrschluss, aus den Intervallen der Trinkwasserkategorien auf Eignungsgrenzen zu schließen ist aber offensichtlich nicht zulässig. In der Regel wird für PVC-U Rohrsysteme eine Dauertemperaturbeständigkeit von bis zu 45° angegeben. PVC-U ist also in den Bereichen in denen wir unsere Aquarien betreiben völlig unbedenklich und kann guten Gewissens verendet werden. Als Rohrsysteme, als Abschäumer, als Filterboxen und und und....
Genauer drauf schauen sollte man aber z.B. auf Kabel, die ggf. Kontakt mit dem Meerwasser haben. Hier ist ggf. zu prüfen ob in den Kablen nicht Weichmacher verwendet werden. Allerdings ist eine generelle Aussage zu Weichmachern ebenso wenig möglich wie allgemein zu Polyvenylchloriden - es gibt zu viele verschiedene Weichmacher
Warum in manchen Bauobjekten während der Bauphase PVC-U Leitungssysteme zurückgebaut wurden kann viele Gründe haben. Wir haben z.B. Fragestellungen hinsichtlich der LEED Bewertung von Gebäuden. LEED ist eine System, das stark aus den Staaten kommt und Gebäude mit einem Punktesysteme hinsichtlich einer umweltfreundlichen, nachhaltigen Bauweise zertifiziert. Hier spielen selbstverständlich auch die verwendeten Materialen eine Rolle. Das geht ggf. vom Einbau über den gesamten Gebäudelebenszyklus bis hin zur Entsorgung. Ohne das ich es genau weiß, könnte es sein, dass im Punktesystem einer LEED Zertifizierung PVC in allen/einigen Varianten keine besonders gute Figur macht. Aber wie gesagt: Eine Umentscheidung/Rückbau kann viele Gründe haben.