Hallo zusammen,
nachdem mein Name hier des öfteren fiel und ich auch Hinweise von Außen auf diesen thread hier bekam, mag ich auch ein paar konstruktive Zeilen schreiben. Gestern Abend war mir das aber hier zu hitzig Daher erst heute.
@Hans-Werner. Ist doch alles kein Problem und dass Du für Dich relevante Unterschiede bei solchen Details klärst (auch wenn Du keinen Klärungsbedarf gesehen hast), ist prima. Aber deswegen musst Du mir ja nicht gleich meine biologischen Kenntnisse absprechen.
Letztlich ist die Frage, was wir messen (z.B. zu Hause und was im Labor) und wie wir einen bestimmten Messwert beurteilen und diskutieren. Ich spreche gerne lieber von organischem Phosphor, weil sich darüber der Unterschied zu dem relativ leicht messbaren ortho-Phosphat besser klarmachen lässt und sich keine Missverständnisse ergeben. Und während wir tatsächlich behaupten können, dass ortho-Phosphat generell verfügbar und rekrutierbar ist, können wir das bei einer organischen Phosphorquelle eben nicht grundsätzlich und wir können auch nicht prognostizieren, wann aus einem organischen Phosphat mal ein anorganisches Phosphat wird.
Und darum geht es letztlich in jedem inviduellen Einzelfall, bei einem Problem die Frage nach der Verfügbarkeit zu stellen. Ob Du das jetzt organisches Phosphat nennst oder organischen Phosphor, was hat das für eine aquaristische Relevanz? Das, was da aus meinem Beitrag raus zitiert wurde, ist definitorisch und absolut betrachtet durchaus nicht richtig, da gebe ich Dir recht, aber es ist für den Aquarianer leichter zwischen dem Phosphat zu unterscheiden, das er kennt, und einem schlecht messbaren und noch schlechter zu diskutierenden organischen Phosphat.
Vor allem zu einer Zeit (2012 meine ich war mein Beitrag), als es noch so gut wie keine laboranalytischen Möglichkeiten gab, Gesamtphosphor zu bestimmen. Wir sprechen öffentlich seit gerade mal 1-2 Jahren von Gesamtphosphor, weil die ICP-OES diesen Wert ausspuckt. Nichtsdestotrotz können wir dadurch allemal nur indirekte Rückschlüsse auf den organischen Phosphorgehalt ziehen, wenn wir neben Gesamtphosphor in einer Probe auch direkt orth.-Phosphat messen und dann über die Differenz sagen können, dass das vermutlich organischer Phosphor ist. Aber so ein Thema kann man auch über das praktisch sinnvolle und anwendbare Maß hin tot diskutieren und darin sehe ich nicht wirklich einen Sinn.
Zum eigentlichen Thema hier.
Wichtig und grundsätzlich der Fairness halber, sowohl dem Hersteller als auch dem Anwender gegenüber ist, dass wir nicht alle Probleme, die im direkten oder auch nicht-direkten Zusammenhang mit einem Gestaltungsmaterial bestehen, über einen Kamm scheren, sondern sie differenziert und als Einzelfall betrachten. Und das ist ein generelles Problem, das wir in der Riffaquaristik haben. Jeder haut schnell seine Meinung raus, ohne dass da überhaupt eine Untersuchung und eine Diagnose steht, was zur Folge hat, das zwei verschiedene Probleme in einen Topf geworfen werden.
Und so arbeite zumindest ich nicht. Mein Anamnesebogen ist hier vom Norbert schon genannt worden. Ich kann ein Problem nicht anhand von ein paar Wasserwerten beurteilen, sondern muss mir auch das Drum und Dran anschauen. Alles andere ist wilde Spekulation und führt zu nichts, außer Frust und Ärger mit Herstellern, Händlern etc.
Wir haben heute viele Möglichkeiten, die wir noch vor einigen Jahren nicht hatten, v.a. die Analytik. D.h. aber nicht, dass damit jetzt jedes Problem auf den ersten Blick lösbar ist. Es muss nach wie vor ein grundsätzliches Bemühen bestehen, Probleme umfassend in ihrer Symptomatik zu erkennen, diese zu beurteilen und in Anlehnung an verschiedene Umgebungsparameter zu diskutieren. Dafür muss ich mir aber auch ein Becken genau anschauen! Ich schaffe das eben nur mit dem Anamnesbogen und kann mit all diesen Fakten rund um ein Becken auch sehen, wo potentielle Fehlerquelle liegen.
Das mal vorweg.
Inwiefern chargenbedingte Probleme mit den hier teilweise geschilderten Symptomen zusammenhängen, kann und will ich gar nicht beurteilen. Das führt auch zu nichts. Heute mit besseren analytischen Möglichkeiten kann man das im Einzelfall vielleicht dann auch besser klären.
Wichtig für den Hersteller, und damit meine ich dann konkret Torsten und auch jeden anderen Hersteller und Vertreiber von künstlichen Gestaltungsmaterialien, ist, den Anwender über die grundsätzlichen Eigenschaften aufzuklären, und zwar nicht nur im physikalischen und chemischen Sinne (Material, Porösität, Oberfläche, etc.), sondern v.a. auch hinsichtlich ihrer ökologischen Wirkung. Das betrifft einerseits den Nährstoffgehalt, andererseits auch den Aspekt der Organismenvielfalt.
Wenn man ein absolut nährstofffreies Material anbietet, dann muss der Kunde/Anwender auch wissen, dass das Material als potentielle Nährstoffquelle nicht funktionell taugt und sich damit z.B. von einem lebenden Stein funktionell unterschiedet Deshalb steht auf Blumenerde auch drauf, ob sie mit Nährstoffen versehen ist oder nicht. Weil wenn nicht, dann muss man für die Nährstoffversorgung auch etwas tun.
Ganz ehrlich, und ich bin jetzt hier einmal derjenige, der das hier auch sachlich und fachlich ansprechen möchte, muss das in einer Anleitung zum Material drin stehen. Stattdessen wird in der Anleitung von Korallenwelt ein Hinweis darauf gegeben, mit einem Phosphatadsorber zu arbeiten, oder mit einem Silikat-Adsorber, was im Großen und Ganzen eigentlich das gleiche ist. Von daher wird ein solches Riffbecken von Beginn an nährstofflimitiert. Silikat ist erstmal nicht schädlich und Kieselalgen sind auch keine wirklich ökologisch-aggressiven Mikroalgen, die eine aktive, besser gesagt in Meinen Augen aggressive praktische Anwendung von Adsorbern notwendig machen würden. Ich persönlich nehme lieber Kieselalgen in Kauf (was v.a. in den meisten Fällen nur ein optisches Problem ist), als mein geschaffenes Riffbecken erstmal durch einen bewussten Phosphatentzug ökologisch "einzufrieren". Die Problematik ist nämlich, besser gesagt die entscheidende Frage, wie kann ich so eine Umgebung wieder "auftauen", um das mal metaphorisch so zu benennen?
Das führt jetzt wieder gleich zum Thema Startphase von Riffbecken. Und hier nehme ich mal vorweg, auch in Anlehnung an den hier zitierten Beitrag von mir, dass ich insbesondere "tote" keramische Becken sofort mit Korallen besetze, damit ich das System überhaupt mit Leben besiedeln kann. Ich selbst arbeite auch nie mit Bakterienlösungen, weil ich ein Korallenbecken einrichten möchte und kein Bakterienbecken. Aber mit dem Korallenbesatz kommen auch Mikroben und Bakterien ins Becken, die sich dann - und jetzt wird es entscheidend - auf einer bestehenden Nährstoffgrundlage entwickeln können.
Als Anwender ist das meine Aufgabe, den Lebensraum hinsichtlich des Nährstoffgehalts richtig anzupassen, das ist nicht Aufgabe des Herstellers der Gestaltungsmaterialien. Aber als Hersteller der Gestaltung muss genau auf diese Aufgabe und dieses Kriterium hingewiesen werden. Wenn man als Hersteller umfangreich zu den Produkten aufklärt und sich der Wirkung der Gestaltung auf ein Aquarium bewusst ist, dann wird man auch den Anwender nicht als Versager bezeichnen müssen.
Hier sehe ich in der Anleitung von Korallenwelt klare Defizite und kann auch aus fachlicher Sicht die Vorgehensweisen nicht nachvollziehen, aber das ist letztlich ja auch nicht meine Anleitung. Für mein Verständnis muss aber bei einer Anleitung auch eine direkte und unmittelbare Betreuung stattfinden, damit diese auch über die Zeit hinweg ihre gewollte Wirkung zeigen kann.
Hier sehe ich die Hauptproblematik. Nicht primär in der Qualität des Materials, sondern in der Art und Weise, wie man die Ausgangsbedingungen richtig beurteilt und ein Riffbecken dann eben aktiv mit Nährstoffen versorgt.
Nochmal zur zügigen Startphase und dem Korallenbesatz. Es geht mir hier v.a. darum, möglichst schnell die Kontrolle über das Ökosystem zu gewinnen. Gerade ein Keramikbecken ohne Nährstoffe muss Indikatoren haben, die abseits der analytischen Möglichkeiten auch den Nährstoffgehalt anzeigen. Und dafür sind Korallen gut geeignet. Wichtig ist nur, dass man die Korallen auch versorgt. Aber ein solches "eingefrorenes" Becken über Wochen lang brach liegen zu lassen, hat nichts mit Kontrolle oder Steuerung zu tun. Ich kann einen Lebensraum nur dann steuern, wenn ich auch ein "Lenkrad" und eine "Strasse" habe und das sind im übertragenen Sinn die Nährstoffe und die Korallen.
Und dann kommt es auf die Betreuung an! Und hier müssen wir Hersteller uns auch selbst an die Nase fassen, wenn wir Produkte auf den Markt bringen, mit denen dann der Anwender alleine gelassen wird!
edit: und was mir noch einfällt und was hier ja schon genannt wurde, ist die biologische und ökologische Wirkung der Gestaltung auf das Aquarium. Da hatte ich vor zwei Ausgaben einen Artikel zu im MA im Latka Verlag, aber auch schon vorher einen Artikel über relevante Parameter über eine Keramik. Ich bin mal so frei, darauf zu verlinken . Ich habe auch bei Norbert Dammers schon ein Vortrag darüber gehalten, wie sich Parameter wie Gesamtoberfläche auf Nährstoffgehalt und Nährstoffversorgung auswirken können, sowie auch schonmal in Sindelfingen. Und ich denke auch, dass Hersteller von Gestaltungen hier auch entsprechend aufklären müssen!