Riffkeramik goes Wissenschaft - Riff Nienhagen

  • Ein schönes Projekt für das Sommerloch ist eine Mitarbeit mit unserem Hauptprodukt im wirklichen Meer. Da wird es richtig interessant.


    Das künstliche Riff Nienhagen ist ein Projekt dessen Schwerpunkt im Fischmanagement liegt. Mit großem Aufwand soll die Frage geklärt werden, ob durch zusätzliche, künstliche Strukturen mehr Lebensraum und somit Ernährungsgrundlage für Fische geschaffen werden kann.
    Nun ist es, Gott sei Dank, in Deutschland, anders als sonst auf der Welt, nicht einfach möglich, irgendwelches Zeug in´s Wasser zu werfen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden zu lassen. Deshalb ging eine jahrelange Planung vieler Spezialisten voraus, die zunächst theoretische Vorschläge für unterschiedliche Substrate, deren Größe und Anordnungen vorlegte. Theoretisch sah das dann so aus:


    https://www.youtube.com/watch?v=X6_vVksEcXM


    In einer relativ strukturarmen Bodenregion wurden dann ab 2003 verschiedenartige Volumenkörper eingebracht. Diese waren z.T. recht simpel, wie zum Beispiel einfache Netze oder auch ungemein schwer und arbeitsintensiv, wie die großen Tetraeder. Selbstverständlich mit allen möglichen Zwischenstufen, vom einfachen Granitblock bis hin zu definierten Besiedlungsplatten, auf denen wissenschaftlich genau dokumentiert wird, wie schnell und womit künstliche Substrate in der Ostsee besiedelt werden.
    In über 10 Jahren intensiver Forschungsarbeit meiner ehemaligen Meeresbiologie - Kollegen und Forschungstaucher sind unzählige neue Erkenntnisse herausgekommen.
    So sieht das Ganze dann in der Praxis aus:


    https://www.youtube.com/watch?v=OZVPiRrhUr0


    Für Nichteingeweihte: Hier in der Ostsee sieht ein Schnorchler so gut wie nie einen Dorsch und auch Taucher höchstens mal ein Einzeltier.
    Dennoch ist der Dorsch, durchaus ein Wanderfisch, hier an der deutschen Küste der Hauptspeisefisch und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.


    Das läßt die Bilder aus dem letzten Video sicherlich schon in einem ganz anderen Licht erscheinen.
    Aber diese vielen Dorsche brauchen nicht nur Lebensraum, sondern vor allem NAHRUNG in Form von Kleinfischen.


    Und das ist genau der Kern des Projektes. Gelingt es durch die Auswahl der richtigen Strukturen so viele Kleinfische zu konzentrieren, daß die Dorsche nicht mehr durch die halbe Ostsee wandern, um Nahrung zu finden, sondern, relativ gesehen, einen lokal stabilen Bestand erhalten?


    Einige der in den Videos gezeigten Formen bilden zwar schöne, große Riffe, aber man sieht ja auch, wie die Dorsche nicht gerade zimperlich zu Werke gehen und die Kleinfische so lange jagen können, bis diese ermüden.


    Meine Idee war dann, eine Struktur zu schaffen, die für Dorsche und andere größere Räuber nicht mehr erreichbar ist und in die vor allem die Schwimmgrundeln, das sind die riesigen Schwärme im Film, sicheren Unterschlupf finden. Somit gibt es immer für einen Teil der Population ein sicheres Überleben und der Bestand kann sich relativ schnell regenerieren, auch wenn die Dorsche überhand nehmen sollten.


    Dazu haben wir zwei Riffkeramik Felsen gebaut, die eine innere Höhlenstruktur aufweisen, die keine größeren Fische durchläßt. Wie man erkennt haben sie zunächst nur die Größe von Maurertuppen und es ist zunächst auch nur ein Modellversuch. Leider hat der eine den harten Seetransport nicht ganz heil überstanden, erfüllt aber auf jeden Fall seinen Zweck.


    Nun liegen sie beide seit ein paar Monaten in 12m Tiefe auf dem Ostseegrund:

  • Da bin ich ja mal gespannt, ob der heile oder der zerbrochene besser angenommen wird :winking_face:
    Schönes Projekt! Bitte weiter berichten!


    Viele Grüße
    Björn

    Hauptbecken 200x80x80, Technikbecken 130x60x60, QP16, ATI Powercone 250is, Maxspect R420R 15.000K

  • Ja Daniel, in den USA wurden massenweise Schiffe, U - Bahn Waggons, etc. versenkt.


    Die Frage, die aber nie geklärt wurde:


    Kommt es tatsächlich zu lokalen Fischbeständen, die hier heimisch sind oder zumindest regelmäßig zurückkehren oder nehmen die Fische solche Riffe nur als temporären Unterschlupf?
    Dann wären sie allenfalls nur für Taucher interessant. Nährstoffe gibt es in den Weltmeeren aber inzwischen genug, warum nicht am Ende der Nahrungskette mehr Ertrag entnehmen? Leider wird das ja meistens ohnehin mehr als übetrieben!


    Sowas muß mit großem Aufwand regelmäßig untersucht werden, das geht nicht mal eben mit einem 3 Jahres - Uni Projekt. Immer rausfahren, bei Wind und Wetter, Markierungen, Probennahmen....
    Die Jungs könnten Bücher schreiben über die Haltbarkeit stationärer UW Kameras oder Funkstrecken.


    (Vielleicht sollten sie mal bei der NSA vorbeischauen, die haben da längere Erfahrungen und wissen, was was taugt... :grinning_face_with_smiling_eyes: )


    Unsere Keramik liegt ja nun schon in diversen Weltmeeren herum, aber hier dient sie eben solch einer kleinen Mini - Erkenntnis und ist allenfalls Modell für eine Überlegung.
    Wenn die Theorie so stimmt, könnte man größere Teile bauen oder bei größeren Projekten ähnlicher Natur auf anders geformte Betonteile zurückgreifen.


    Einigen scheint die Sache auf jeden Fall schon mal zu gefallen:


    .

  • Hallo,


    Ein sehr schönes und interessantes Projekt!
    Vorallem, da es wenn es ums Tauchen geht ja fast ausschließlich tropische Riffe im Fokus stehen finde ich das auch für den Tourismus sehr spannend... man stelle sich mal große künstliche Riffkomplexe in der Ostsee vor.
    Ich gehe nur mal nicht davon aus, dass man da zur Zeit einfach so hin fahren kann zum Tauchen.

  • Daniel, wie im Video zu sehen, hat das Riff solche Ausmaße, daß Du es mit einem Tauchgang nicht komplett abschwimmen kannst, jedenfalls, wenn Dich auch ein paar Tiere interessieren!


    Das Riff selbst erkennt man schon von Land aus an dem gelben Mast mit Arbeitsplattform. Das sind ca 1500m, zur Not kannst Du die schnorcheln......


    Tauchbasen in der Umgebung bieten inzwischen regelmäßige Ausfahrten zum Riff an, so sind auch 2 Tauchgänge möglich.


    Wer sich vorher über wissenschaftliche Untersuchnungsmethoden noch genauer informieren möchte, kann auch auf die Seite von UWE FRIEDRICH gehen, von dem auch alle bisher gezeigten Bilder stammen:


    http://www.style-kueste.de/#0008s505239_de




    Als Ergebnis sei schon mal vorweggenommen:


    Es ist tatsächlich eine signifikante Wiederfangrate von markierten Fischen zu verzeichnen, so daß man durchaus von einer zumindest zeitweise lokalen Population des Dorsches hier sprechen kann. Was die Kleinfischpopulation anbelangt, sprechen die Bilder natürlich für sich, eine solche Konzentration von Fischen sucht man ansonsten an der deutschen Ostseeküste in der ufernahem Region vergeblich.


    Es gibt ja inzwischen ein etwas kleineres Riff ca 20km entfernt.


    Daraus ergibt sich schon die Frage nach fischereiwirtschaftlichem Nutzen, wenn man eine ganze Perlenkette solcher Riffe in Ufernähe erreichten und für den Menschen in unterschiedlicher Weise (Tauch- oder Angelfahrten) erlebbar machen würde. Und jedes Dorschfilet auf dem Teller ist hundertmal besser und ökologisch sinnvoller als ein Stück Pangasius, daß erstmal um den halben Erdball geflogen wird.


    Hier noch ein paar schöne Eindrücke von Uwe



    /Users/korallenwelt/Desktop/110222_038.jpg

  • Im Falle der Riffkeramik Höhlen galt es zu ermitteln, wie gut diese von Kleinfischen angenommen werden. Dazu muß man wissen, daß es sich meist um Schwimmgrundeln, Gobius flavescens handeln soll. Direkt auf dem Boden lebende Fische waren zunächst nicht interessant, dazu hätten die Höhlen eigentlich Löcher direkt am Boden haben müssen, was leider durch den Transportschaden der einen nun doch gegeben war.
    Aale sollten eigentlich eher nicht einziehen, dafür müßten die Innenwände der Höhlen anders strukturiert sein.


    Die Schwimmgrundeln gibt es aber, mit jahreszeitlichen Schwankungen in riesigen Massen, was man auch in den Videos sehen kann. Gerade jetzt im Juli / August kommt der Nachwuchs aus dem Freiwasser und siedelt am Substrat.


    Dies zu dokumentieren und eine ungefähre Vorstellung davon zu bekommen, wie gut die Höhlen angenommen werden, war eines der Ziele dieser Fahrt.


    Es wurde dazu eine GoPro installiert, allein gelassen und nach 2 Stunden wieder geborgen.
    (Mein Gott, wenn ich noch an die Anfangsjahre meiner Meeresbiologenkarriere zurückdenke - ich war für Beschaffung und Installation von Videotechnik zuständig - so ist das heute, 20 Jahre später, überhaupt kein Vergleich zu technischer Ausstattung und Arbeitsaufwand. Man(n) geht einfach in den nächsten Mediamarkt, kauft sich´ne UW Filmkamera mit hoher Auflösung und guckt das Ganze gleich auf´m Schiff am Computer an.
    Allein die Ausrüstungsbeschaffung hat früher MONATE gedauert, von den 5 stelligen Beträgen ganz zu schweigen...


    Nun ja, so schön einfach kann das heute sein und ermöglicht natürlich auch Laien zu tollen Beobachtungen und Ergebnissen zu kommen. Hier ein Bild vom Arbeitsaufbau und Kontrolle vom "Chef" persönlich:

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