Energie- und raumsparendes Aquarienkonzept Teil II

Da Stillstand bekanntlich Rückschritt bedeutet, will ich heute von einem neuen Projekt berichten, in welches die Erkenntnisse aus diesem Fred mit eingeflossen sind:

Energie- und raumsparendes Aquarienkonzept

Der Auftrag ereilte uns Anfang letzte Woche, wobei ich mich allerdings mit ein paar Leuten aus dem Forum auf Safari im Roten Meer befand.
Also mußte der Lehrling alleine ran...

Übergabe ist übrigens der 6.6., also ein Projekt, welches zumindest in zeitlicher Hinsicht keineswegs zur Nachahmung geeignet ist. Schließlich hängen noch diverse andere Gewerke daran.
Das Becken steht im Wartezimmer einer Arztpraxis.

Hier nun also des Lehrlings Vorarbeit:

Rückwandplatten und Schacht bauen, einkleben und vermörteln:

Klar macht er das gut. Man sieht noch gut die unterschiedliche Färbung der gerade gewässerten Keramik und des weißen Mörtels.

Ach so, das Maß: 170 x 65 x 65cm. Es sind alles Frauen in der Praxis, da sind dann Höhe und Tiefe auf ein vernünftiges Maß zu begrenzen, denn sie wollen das selber pflegen.

Aus diesem Grund verbietet sich natürlich auch Sand als Bodengrund, da sie die biologischen Aktivitäten und Probleme, welche Sand bereiten kann, als Laien überhaupt nicht einschätzen können. Allerdings haben wir bei den meisten Projekten der letzten 2 Jahre, an denen wir in irgendeiner Weise beteiligt waren, immer Korallensand ausgeplant. Für meine Empfindung ist Sand bei mindestens 50% von gescheiterten Becken die Ursache, natürlich gepaart mit Fehlern bei der Pflege. Dies kann man gut verhindern, indem man festes Bodensubstrat verwendet, auf dem keine längerfristigen Ablagerungen möglich sind. Ausreichende und abwechselnde Strömung selbstverständlich vorausgesetzt.

Also wurde der Boden ebenfalls komplett gemörtelt. Auf der einen Seite hat er schon die spätere Struktur. Die ist erst modellierbar, wenn der Mörtel etwas angezogen hat.

Ein Wehrmutstropfen ist natürlich der Verzicht auf Symbiosegrundeln mit Partnergarnelen, was aber in einem Wartezimmer absolut zu verschmerzen ist.

Ja Stefan, zufällig habe ich gestern noch mit unserem Aquarienbauer Peter Voigt telefoniert und wir wollen jetzt drei halbwegs akzeptable Größen zur Probe bauen, so etwa 100cm, 120cm und vielleicht 160cm.
Das sind Aquarien, die noch halbwegs transportable sind, wobei das 160er sicherlich einer persönlichen Abholung bedarf.
Bei uns selbst werden die Becken noch zusätzlich eingefahren, weil wir darüber einen Anleitungsfilm drehen wollen, darüber aber später mehr.
Bei Glasbau Voigt kann man die dann fertig dekoriert und mit der notwendigsten Technik bekommen. Untergestelle baut er ja sowieso selbst, so daß man sich die Höhe schnell auf Maß fertigen lassen kann. Er pulvert die Stahlgestelle auch.
Witzig, daß Du danach fragst.

Hier noch einige Mörteldetails, um zu zeigen, daß das Ganze keine komplizierte Sache ist. Der Bodengrund des Beckens wurde bereits einmal nachgewässert, da es ja morgen ausgeliefert wird.
Auf dem Boden selbst gibt es mehrere große Ablegersteine, die unterhölt sind, gleiches gilt z.T. für die Füße der Mitteldekorationen. Somit entstehen viele Schlafplätze, die innerartliche Aggressionen vermindern sollen - ein Fakt, über den ich früher kaum nachgedacht habe, der mir aber sehr wichtig erscheint.

Beobachtet man zum Beispiel magnifica Schertgrundeln in der Natur, so kommen die meistens in Gruppen vor, im Aquarium, und sei es noch so groß, bleibt irgendwie immer nur ein paar übrig.
Da in dieses Becken 10 Demoisellen und 5 Chromis einziehen sollen, haben wir hier schon etwas vorgesorgt.

Die Rückwandplatten selbst sind nur ganz schwach punktuell verklebt und dann vermörtelt. Auch die Kammtaschen sind nicht mehr zu sehen.
Optisch muß das Becken eine Augenweide sein und es darf auf gar keinen Fall irgendwelche Technik erkennbar bleiben, obwohl ALLE technischen Geräte IM Becken verbaut sind.

Das Problem bei Komplettsets ist ja eigentlich, daß man selten das Maß hat, was der Kunde wünscht. An diesem Beispiel soll natürlich auch geziegt werden, wie schnell man soetwas umsetzen kann. Leider wohnt der Aquarienbauer nicht gerade um die Ecke.
Bei der Bestückung mit Technik kann man flexibel reagieren und später auch noch ändern, wobei in diesem Fall auf absolute Profi Technik und minimalen Stromverbrauch wert gelegt wurde.

Stefan:
Ich finde allerdings Sand auch immer sehr ansprechend, zumal, wenn er schön weiß bleibt, und das tut er bei ausreichender Strömung. Ich habe bei mir ca. 1cm Sand! Mehr nicht! Und das funktioniert anscheinend genauso gut wie der Mörtel.

Wenn man weiß, was man tut und sich wirklich auf minimale Höhe beschränkt, ist das alles kein Problem.

Aber in heutigen Zeiten globalen Online Shoppings werden immer mehr Wundermittelchen und Zauberfuttersorten angeboten, die Anfängern schnellen Erfolg garantieren sollen. Guter Rat ist meist weit weg und Geduld rar.

Da kann so ein Bodengrund schnell zur Zeitbombe mutieren. Insofern ist man mit der Mörtelmethode auf der sichereren Seite, aber natürlich schützt auch der bei zuviel Sorglosigkeit nicht!

Hier das Becken mit fast fertiger Innendeko, noch ohne die kleinen Höhlen.

Der Nachteil ist natürlich, daß dieses System relativ starr ist und man später große Umräumaktionen nur noch mit der Brechstange bewerkstelligen kann.
In diesem Fall ist das aber so gewollt, die Ärztin wird bestimmt nicht ihr Becken umdekorieren.

Ich steh ohnehin auf dem Standpunkt, daß unsere Riffkeramik ohnehin nur die Grundlage einer guten Dekoration ist, letztendlich machen das die Korallen!

Stefan, es ging ja gar nicht um Einsteiger oder nicht Einsteiger. Letztendlich muß das System so flexibel sein, daß sich jeder Kunde dazu die Technik einbauen kann, die er selbst bevorzugt.
Ein Meter Becken braucht natürlich keine Abyzz und keinen Mini BK

Es geht generell darum, ein schön dekoriertes Becken zu liefern, in dem man alle Technik integrieren kann, aber trotzdem nicht auf Dauer festgelegt ist. Pumpt man Wasser nicht sinnlos in der Gegend herum, kostet es auch nicht so viel Strom.

Wenn man einen Hauswirtschaftsraum hinter seinem Becken hat, macht ein separates Filterrefugium immer Sinn, aber diese Möglichkeit ist nicht jedem gegeben.

Es geht um ein Konzept, wie es die Überschrift schon bezeichnet: in erster Linie PLATZ- und ENERGIESPAREND.

Die Draufsichtbilder zeigen die Pumpenkammer und den freien Schwimmraum, der trotz aller integrierter Technik übrig bleibt:

Bis auf die Strömungspumpe ist die gesamte Technik in einer Kammer aus Keramik untergebracht. Diese nimmt auf:

Abschäumer
Schnellfilter
UV Anlage
evtl Adsorber nach Bedarf

Ozon kann bei Bedarf an den Abschäumer angeschlossen werden.

Das Wasser geht oben über den Kamm und wird mittels einer kleinen AS 1200 mit eben dieser Literzahl durch die Kammer gezogen. Diese Pumpen haben wir seit fast 20 Jahren im Einsatz: extrem robust, sehr leise, mit 10W sehr sparsam und zudem noch preiswert. Auf die Pumpe wird von oben eine Schnellfilterpatrone geschoben - einfacher geht´s nicht.
Bei größeren Becken, kann die Pumpe wahlweise durch größere Modelle, z.B. Aquabee 2000, ersetzt werden.
Der Ausstoß der Pumpe erfolgt nach unten, so daß sich in der rechten vorderen Beckenhälfte kein Mulm absetzt.

Die kleine Pumpe links, eine regelbare Hydor Pico 1200 zieht das Wasser durch eine mittels Glasscheibe abgetrennte Kammer, welche nicht dicht ist. Sie hat die Funktion, die freistrahlende UV Röhre aufzunehmen. Auf diese Weise wird ein hohes Maß Entkeimung gewährleistet. Die Glasscheibe dient dem Schutz des Abschäumers und der Filtereinheit, da deren Kunststoffe sich unter UV - Einwirkung zersetzen würden.

Auf dem blauen Schwamm steht, absolut entkoppelt, der Abschäumer.

Man kann den Durchfluß durch die Kammer also in etwa zwischen 1500 und 2400 Liter pro Stunde variieren - für ein 700 Liter Aquarium ein optimaler Wert.

Als Strömungspumpe kommt eine (natürlich vollkommen überdimensionierte :]) Abyzz 200 zum Einsatz.
Der Einbau erfolgt durch ein neues Verfahren in einen runden Hohlkörper mit mehreren Ansaugöffnungen. Wir haben da in letzter Zeit wieder etwas dazugelernt.

Zwei dieser Öffnungen befinden sich unterhalb der Pumpe und werden durch ein neues Korallenwelt - Schlitzgitter reversibel verschlossen. Diese Schlitzgitter sind 80mm hoch und beliebig lang. Man kann sie einfach zusammenrollen und in die runde Ansaugöffnung schieben. Durch Auseinanderrollen verkeilen Sie sich von selbst und verhindern so ein Ansaugen von Tieren oder größeren Partikeln.
Wir haben deshalb zwei Öffnungen gewählt, damit für große, flache (Doktor-) Fische nicht die Gefahr des Ansaugens besteht, wenn die Pumpe im Zufallsmodus hochfährt. Nachts, wenn die Fische schlafen, wäre diese Gefahr durchaus gegeben.
Danke an Alex Grah für diese prima Idee !

Die Gitter lassen sich ganz einfach wieder nach oben herausnehmen.

Die runde Pumpenkammer erlaubt jetzt das Drehen der Abyzz in jeden beliebigen Winkel. Die Pumpe selbst sitzt geräuschlos einfach nur im blauen Schwamm und wird bei Bedarf nur nach oben herausgezogen. Das dauert nicht mal eine Sekunde und geht mit nahezu trockenen Händen!

(Kann ja mal jemand mit einer Pumpe versuchen, die in einem "Magnethalter" steckt...)

Die Pumpe hat oben in der Kammer noch einen zusätzlichen Sicherheitseinlauf, falls wirklich beide untere Schlitzgitter verdreckt sind (Pflegemaßnahmen wird es trotz ausgefeiltester Technik immer geben! :D), würde sie etwas Luft ziehen, was Geräusche macht, aber auf diese Art verhindert wird.

Alle Gitter sind von der Besucherseite nahezu unsichtbar in der Keramik verbaut, aber dennoch ganz einfach von oben erreichbar.

Nee, hat ein Handelsvertreter hier angeschleppt - kannte ich nicht!

Gut, dann ab jetzt Vogelschutzgitter! Gibt ja auch Seevögel ...

Aber warum sind die Schlitze dann so klein, die haben doch nur 4mm?

Der obere Überlauf zur Sicherheit, falls die unteren Gitter tatsächlich nicht sauber gemacht werden.

Die Filterkammer nochmals im Ganzen inklusive aller Technik, ausgenommen die UV Röhre, welche nur bei Bedarf zugeschaltet wird:

Darüber haben wir lange nachgedacht Stefan, aber leider keine akzeptable Lösung gefunden. Die Pumpe strömt ja nicht immer gleichmäßig ab, was am Kamm zu unschönen Geräuschen führen kann und unter Vollast gehen über den herkömmlichen Kamm keine 12.000 Liter.
Aber neuen Ideen gegenüber bin ich natürlich immer offen.
Ich wäre schon froh, wenn Schnellfilter und UV Röhre über eine Pumpe laufen könnten!

Hier das Becken unmittelbar vor der Auslieferung. Der Boden wurde einmal gewässert und mit Säure behandelt, daher der obere Lüfter zum Trocknen:

Wir können darüber mal reden Stefan, aber stell´Dir das mal nicht so einfach vor.
Wir haben eigentlich keine Lust, die Kammern noch ein paar mal aufzuteilen, da man immer unflexibler wird.

Außerdem macht es aus meiner Sicht keinen Sinn, die Ansaugung der Abyzz über eine Filterpatrone zu leiten, da bräuchte man wahrscheinlich 10 Stück! Wenn ich z.B. ganz fein filtern will, stecke ich auf die kleine 1200er einen feinen Filterschwamm und nach 1-2 Stunden ist das Becken wieder glasklar.

Wie soll das mit der Abyzz funktionieren? Die zieht den Schwamm glatt in die Pumpenkammer, wenn die auf 100% geht...

Eine gute Lösung wäre noch, die extra Pumpe für die UV Röhre zu sparen, aber da fehlt mir momentan noch die zündende Idee.

Freitag war nun Auslieferung und Einbau:

Auch irgendwie komisch, vom Werkzeugkoffer auf die Fähigkeiten des Aquarienbauers zu schließen.....

Das kann ich Dir sagen!!!! Was ich da schon erlebt habe....
Wie viel Zeit ist vergangen vom ersten Gespräch bzw. Aufmaß bis zur Fertigstellung

Frag nicht! Also Montag kam Wasser rein zur Stabilitäts- und Dichteprüfung, dann die Endmontage der Tischler. Die Praxis ist dann am Mittwoch so ganz nebenbei auch noch umgezogen.

Gestern habe ich dann 2 x 700 Liter Meerwasser in Kanistern geschleppt, weil ich feststellen mußte, daß mein 100 Liter Tank vom Palettenmaß her gut in´s Auto paßt, nur leider nicht von der Höhe.....

Nun auch das ist überstanden und die Installation der Technik ist bei diesem System ja ein Kinderspiel. Also wurde gestern noch alles angeschlossen und festgestellt, daß der Elektriker eine Steckdose falsch angeschlossen hat, nun läuft es bis heute zunächst nur über einen Kreislauf!
Aber ansonsten hatte die InnenarchitektIN (!!!) doch ein gutes Händchen mit Ihren Vorstellungen. Die Streben der oberen Verkleidung stören zwar etwas, aber man kommt von vorn und hinten an das Becken:

Da ich nach 1 1/" Tonnen Wasserbewegung, zum Glück liegt die Praxis nicht im 3. Stock, so richtig motiviert war, habe ich dann die Elektroverteilung selbst in die Hand genommen, wer weiß, wann der Elektriker da mal aufschlägt. Ist zwar etwas laienhaft aber funktionell darauf kommt es an.
Man hat von der Rückseite her einen sofortigen Überblick über alle Geräte. Es gibt zwei Stromkreise:

- Abschäumer, Filterpumpe und UV Pumpe, LED Beleuchtung
- T5 - Beleuchtung, Hauptströmungspumpe

Falls einer ausfällt, laufen auf dem anderen immer noch alle lebenserhaltenen Systeme.

Abyzzcomputer hängt unmittelbar daneben.
Also alles mit einem Blick erfaßbar.
Die mittleren Klappen bekamen heute noch Dämpfer, so daß man sie oben einrasten kann.

Pumpeneinbau leicht gemacht: einfach in den Schwamm stecken und fertig!
Die Abyzz 200 läuft zwischen 10 und 45%. Das geht natürlich nur bei sandfreiem Becken, dann pustet es ordentlich und kein Detritus bleibt irgendwo liegen.

Der obere Einlauf noch einmal im Detail. Sollte die Pumpe aus irgendeinem Grund aus den beiden unteren Ansaugöffnungen nicht genug Wasser bekommen, läuft es einfach von oben nach, so daß die Pumpe nie Luft zieht.
Da die Praxis aber nie länger als drei Tage unbeobachtet ist, kann man das in diesem Fall als übertriebene Sicherheitsmaßnahme betrachten.