na dann musst du scheinbar, so wie Wolfgang auch deine Box ins Freie stellen, dann funktioniert die Vermehrung sicherlich besser
Nun, Fakten sind halt Fakten, egal b sie einem ins Konzept passen oder nicht. Und man sollte sie - auch wenn es vielleicht persönlich schwer fällt - akzeptieren, unabhängig davon, welche Schlüsse man daraus zieht.
Ich beschäftige mich seit rund 40 Jahren mit der marinen Futterzucht und davon etwa 20 Jahre durchgehend mit der Zucht von Tigriopus californicus. In der Anfangszeit gab es so gut wie keine Hinweise dazu irgendwo nachzulesen. Also war Versuch und Irrtum angesagt. Ich habe solche Mengen an Copepoden erzeugt, dass ich nicht nur täglich große Futterportionen, sondern auch mehrfach wöchentlich dichte Zuchtansätze entnehmen konnte, die ich kostenlos in Deutschland, Österreich und der Schweiz verteilt habe. Ich habe wochenlang mit einem Planktonsammler versucht, ein Becken copepodenfrei zu bekommen und nahezu täglich eine Schicht von bis zu 2 mm Höhe in einem Artemiasieb geerntet. Das hat sie tatsächlich langsam reduziert, aber (leider) keineswegs ausgerottet. Und das alles mit Freilandkulturen. Ist das bei deinen Zimmerkulturen auch so?
Alle Züchter, von denen ich Rückmeldung erhalten habe, haben mir bestätigt, dass Freilandkulturen wesentlich effektiver funktionieren, als Indoor-Ansätze. Hast du schon einmal Freilandansätze längere Zeit betrieben oder wertest du sie einfach ohne eigene Erkenntnis ab? Natürlich gibt es auch im Freiland Fehlschläge, aber wesentlich seltener, als im Haus und die im Freiland herangewachsenen Tiere sind agiler und kräftiger und in der Regel von tiefem Rot.
Ganz am Anfang hatte ich aus Vorsicht nur Zimmerkulturen und da ich in einer klimatisch rauen Gegend lebe, bei der auch Salzwasser oft gefriert, habe ich zumindest im Winter immer noch welche. Wenn sie gut laufen, und das tun sie meistens, kann ich auch tägliche Futterportionen entnehmen. 25° C sind dafür bei meinen Tieren nicht erforderlich. Es kommt m.E. mehr auf das Volumen, passendes "Schmuddelwasser" und die Fütterung an. Aber was ist denn überhaupt eine "Ernte"? 100 Tiere? 1000 Tiere? Ein Artemiasieb bodenbedeckt?
Wenn eine Kultur nicht läuft, wird man an verschiedenen Stellschrauben drehen, natürlich auch an der Temperatur. Aber das ist halt nicht die einzige und im Hinblick auf die gewaltige Temperatur- und Salinitätstoleranz der Copepoden m.E. auch nicht unbedingt die erfolgversprechendste. So habe ich erst vor kurzer Zeit festgestellt, dass T. californicus bei sehr hohen KH-Werten ausstirbt. Ich kann mir gut vorstellen, dass auch schon unterhalb dieser "Todeszone" die Vermehrung gebremst wird. Erst seit dieser Beobachtung schaue ich überhaupt auf die KH bei den Ansätzen. Man lernt halt nie aus. Oft hilft aber auch nur ein Neuansatz, weil man den Grund des Übels nicht findet.
Auch nach rund 20 Jahren Beschäftigung und Erfahrung mit der Zucht von Tigriopus californicus bin ich weit davon entfernt, meine Erkenntnisse als alleinige Wahrheit und der Weisheit letzter Schluss zu betrachten oder gar zu verbreiten. Ich weiß, wie unterschiedlich die Erfahrungen sein können und wie oft ich selbst oder andere einen erkannten "Königsweg" nach einiger Zeit wieder verlassen haben, weil die Methode doch nicht dauerhaft befriedigte oder es (vermeintlich) bessere gab. Auch heute noch bin ich oft am Rätseln, warum manch erfolgverheischendes "Rezept" einmal funktioniert und einmal nicht. Und ich bin nach wie vor bereit, abweichende Erfahrungen anderer zu akzeptieren und zu versuchen, daraus auch zu lernen. Auch wissenschaftliche Quellen dürfen es einmal sein.
Wenn deine Tiere auf 25°-Wohlfühltemperatur bestehen und ansonsten die Vermehrung einstellen, hast du vielleicht nicht dieselben Tigriopus, wie ich, Werner und viele andere. Auch wenn es Tigriopus sein sollten, gibt es davon ja um die 13 Arten. Eine Zeitlang sollen z.B. auch T. japonicus im Handel gewesen sein. Und Fehlbestimmungen und -bezeichnungen gibt es sicher genügend, vor allem im Internet. Auch schließe ich nicht aus, dass T. californucis unterschiedliche Stämme herausgebildet hat, etwa bei den Populationen vor Californien und denen vor Alaska.
Gruß
Wolfgang