Richtige Mischung von Lebendgestein und totem Riffgestein bei Neueinrichtung

  • man muss kein Lebendgestein verwenden. Zur Zeit eh schwierig, da teuer und qualitativ oft nicht so gut und zudem eine vermeidbare Naturentnahme. Und wenn du Pech hast sind da ungebetene Gäste enthalten wie Glasrosen, Kieferwürmer usw. Du kannst mit der heutigen Riffkeramik und was es sonst so gibt völlig ohne Probleme ein Becken starten. Baks kommen über Korallen rein...
    Es gibt natürlich Fans von Lebendgestein und es wurde ja lange Zeit so gemacht, insofern ist es nicht "falsch" welches zu verwenden, aber eben nicht zwingend notwendig.


    Gruß


    Chris

  • Hallo Robert,
    in der Meerwasseraquaristik gibt es viele Wege, die zum Erfolg – oder auch zum Misserfolg – führen.
    Ich habe meine Becken grundsätzlich mit Lebendgestein gestartet.


    Vorteile sind:

    • man bekommt eine natürlich Beckenbiologie von Beginn an und verdrängt damit auch möglich Plagen wie Cyanos, die sich ausbreiten können, wenn keine Bakterienkonkurrenz
      vorhanden ist
    • Wenn man gutes Lebendgestein erwischt, können daraus höherwertige Algen, Schwämme, oder auch Seescheiden wachsen, die einfach schön aussehen und eine Bereicherung für jedes Becken sind.
    • Man hat gleich zu Anfang schön mit Kalkrotalgen bewachsene Steine, die natürlich aussehen, und nicht die weiss-gelben Riffkeramiksteine. Auch breiten sich die Kalkrotalgen schneller aus, weil das Becken quasi bereits angeimpft wurde.

    Nachteile / Risiken:

    • Es können auch Schädlinge wie Kiefernwürmer, Fangschreckenkrebse, Hydroiden etc im Gestein sein. Glasrosen und Majanos sind zwar auch Schädlinge, lassen sich aber auch ohne den Einsatz von Lebendgestein nicht verhindern, weil sie früher oder später durch Korallen etc. eingeschleppt werden. Man muss das nur frühzeitig erkennen und dann Gegen-massnahmen ergreifen.
    • Schwämme etc. an der Oberfläche oder im Inneren des Gesteins können absterben und erstmal einen Ammonium- / Nitritpeak erzeugen. Das muss man abwarten, bevor man Korallen / Fische einsetzt.
    • Es handelt sich bei Riffgestein i.d.R. um Naturentnahmen und damit ist das ökologisch fragwürdig. Allerdings gibt es auch „cultured rocks“, also künstliches Gestein, welches über Jahre ins Meer gelegt wurde und somit ein Leben entwickelt hat.

    Ergänzend dazu lassen sich mit Riffkeramik filigranere Formen erzeugen als mit Lebendgestein. Auf der anderen Seite kann Riffkeramik (abhängig davon, welche) gerade am Anfang über Wochen und Monate Stoffe ins Wasser abgeben, die zu Cyanoplagen oder anderen Schwierigkeiten führen können; d.h. die Einfahrphase ist beachtlich länger.


    Ich bin nach wie vor ein Fan von Lebendgestein, auch wenn es derzeit durch den Exportstop aus Indonesien schwierig geworden ist, qualitativ hochwertiges Gestein zu bekommen.
    Aber die Vielfalt, die man sich in ein Becken holt, ist einfach beeindruckend, und es gitb jeden Tag eine Überraschung zu beobachten.


    LG,
    Bernhard

  • Hallo Robert,


    ich habe im Mai 2018 bei meinem Händler künstliches Lebendgestein aus Aquakultur gekauft. Er betreibt selbst eine größere Anlage (oder ist zumindest daran beteiligt) in Indonesien, wo Steine aus kalkhaltigem Material (Muschelschalen, tote Korallen, Mörtel) zusammengemörtelt werden, dann kommt noch eine Angeschnur rein, dann trocknet der Kram und dann wird es in einer künstlichen Bucht (selbst gebuddelter Kanal direkt am Meer) an Gestellen aufgehängt und dort mindestens 6 Monate im Wasser hängen gelassen.
    Die Steine sind bewachsen wie Riffgestein (Algen, kleinere Muscheln, Schwämme, Seescheiden...), bei mir war sogar eine winzige Porites am Stein angewachsen.


    Für mich die beste Kombination aus Naturschutz (keine Riffentnahme) und natürlichem Gestein.
    Außerdem zahlen die ihren Leuten gutes Geld (die meisten waren vorher arme Fischer, jetzt sind sie zu bescheidenem Wohlstand gekommen), für mich Win-Win.


    Der Preis war mit 20 EUR / kg akzeptabel.


    Der einzige Nachteil ist, dass sich die Steine alle wirklich sehr ähnlich sehen und die Angelschnur, die man abschneiden sollte (ich habe sie drin gelassen und eine Koralle hat sich dadurch kaputtgescheuert).


    Viele Grüße,
    Rüdiger

  • Hallo Robert,


    es gibt durchaus noch hochwertiges Lebendgestein zu kaufen. Schau beispielsweise einmal bei Fauna Marin nach.


    Man kann ein Riffaquarium durchaus auch ohne Lebendgestein starten, eine richtige Mikrobiologie, die ja nicht nur aus ein paar Bakterienarten besteht, bekommt man aber auch heute noch eigentlich nur mit Lebendgestein ins Becken. Es ist nicht sinnvoll, sein neues Aquarium mit Gestein, egal welcher Art, vollzustopfen. Die echte schöne Gestaltung soll durch die lebenden Korallen erfolgen. Zuviel Gesteinsaufbauten nehmen diesen nur den Platz weg! Daher gestaltet man als Sockel für die Korallen nur ein minimales Grundgerüst, und hierzu würde ich ausschließlich Lebendgestein verwenden.


    Es ist ein altes Aquarianermärchen, dass Lebendgestein riffschädigend aus der Natur entnommen wird! Es darf weltweit nirgends aus Riffen heraus gebrochen, sondern immer nur aufgesammelt werden. Kontrolliert wird dies durch die erforderlichen Cites-Bescheinigungen für Aus- und Einfuhr.


    Gutes Lebendgestein wird heute normalerweise vorgehältert angeboten. Dadurch gibt es kaum Probleme mit absterbenden oder Organismen oder solchen, die zur Plage werden können. Siehe hierzu den Beitrag von Bernhard.


    Was heute als "künstliches Lebendgestein" angeboten wird, ist keines!!! Die gewünschte biologische Funktion erfüllt es meist nicht einmal ansatzweise. Davon rate ich absolut ab.


    Gruß Bernd

  • Wenn du mal die Empfehlungen Kokott liest erklärt er dass es nicht unbedingt Riffgestein sein muß. Wenn du frisch importierte Korallen einsetzt sollte schon ein Ablegerstein reichen um ein Becken mit biologie sprich Bakterien zu starten da Bakterien sich exponentiell (richtiger Ausdruck?) vermehren. Also reichen ein paar Gramm anstatt teures LS. Und ein Steinchen ist besser auf evtl Plagegeister zu kontrollieren als LS. Was da in der Mitte drin ist kann man nicht sehen.


    Gruß Torben

  • Der Mikrokosmos, der unsere Beckenbiologie gestalten soll, besteht aber eben gerade nicht nur aus Bakterien!!!


    Gruß


    Bernd

    Bernd ich plapper das nur nach. Ich bin nicht ansatzweise in der Position dass zu bewerten. Bislang habe ich nur positive Kritik von Jörgs Leitfaden gelesen. Was allerdings auch nichts heißen muß....


    Gruß Torben

  • Hallo Robert,


    wir du siehst gibt es hier zwei Lager. Lebende Steine sind integraler Bestandteil des sog. "Berliner Systems", also der gängigen Arte und Weise der letzten Jahrzehnte, ein Meerwasseraquarium zu betreiben. Viele - vor allem ältere Semester - hängen da sehr dran :winking_face:
    Torben hat Jörg Kokott schon richtig wieder gegeben, wörtlich schreibt er in seinem Forum: "Für mich hat die Gestaltung keine unmittelbare biologische Funktion mehr, wie es damals das Berliner System praktiziert hat. Ich bin da komplett von dem Berliner System weggegangen und nutze die Steine, die mir am besten gefallen und die für mein Gestaltungskonzept am besten statisch wie auch funktionell passsen. "
    Das ist insofern bemerkenswert, da Kokott nicht nur Biologe und erfahrener Aquarianer ist, er hat darüber hinaus den Anspruch, dass ein Meerwasseraquarium nicht nur aus Fischen und Korallen bestehen sollte, sondern sich im Idealfall durch eine Vielzahl an Organismen teilweise selbst ernähren sollte. Also dass die Organik vom Becken selbst produziert wird.


    Das Schöne an Kokotts Aussage ist, dass es kein richtig und falsch gibt. Wenn die Qualität stimmt wirst du mit beidem glücklich werden. Mit Riffkeramik, Riffästen usw. kannst du sehr schöne und luftige Aufbauten hinbekommen, wie Überhänge, Bögen usw. Das geht mit Lebendgestein nur eingeschränkt, in der Regel besteht es aus Brocken und Platten. Aber auch damit bekommt man gute Aufbauten hin.


    Was Bernd zum Gesteinsaufbau schreibt kann ich voll und ganz zustimmen. Gerade bei Anfängern sieht man häufig sehr massive Steinaufbauten, die zum einen für Probleme im Becken sorgen können, zum anderen später ärgerlich sind, wenn die Korallen richtig wachsen und dann keinen Platz mehr haben. Jörg Kokott hat so einen Leitfaden A-Z geschrieben, der ist im Internet frei zugänglich. Da geht er ziemlich ausführlich auf den Gesteinsaufbau ein, auch auf die biologischen Zusammenhänge. Sehr empfehlenswert, nicht nur für Anfänger!


    Was mich an lebenden Steinen früher sehr fasziniert hat war die Einfahrphase. Wenn man plötzlich eine Krabbe entdeckt, eine schöne Anemone oder Schwämme, das hat schon was! Ich habe letztes Jahr ein Becken gestartet mit Riffkeramik von Mirjam (Riffsystem) und ATI (tolle Gestatungsmöglichkeiten), habe aber dennoch einen lebenden Stein verwendet. Wenn du es kombinierst, hast du von beidem etwas.


    Grüße


    Chris

  • Hallo,


    wie ich ja schon geschrieben habe, kann man nach beiden Alternativen verfahren. Der Einsatz von Lebendgestein hatte vor Jahren die Meeresaquaristik stark nach vorn gebracht und insbesondere erst die Pflege von Steinkorallen richtig ermöglicht.
    Ob daran nun vor allem "ältere Semester" hängen, mag ich einmal dahingestellt sein lassen. Dass langjährige Erfahrungen in jungen Lebensjahren noch nicht so vorhanden sein können, liegt in der Natur der Sache.
    Ich persönlich kenne von einer ganzen Reihe von Leuten beide Verfahrensweisen. Nach meinen Beurteilungen liefen die Aquarien mit Lebengestein in der Anfangsphase, vor allem aber auch auf Dauer, im Durchschnitt stabiler. Ausrutscher gab es natürlich auch auf beiden Seiten.


    Der Vorteil beim Start liegt nach meinen Beurteilungen insbesondere darin, dass im Gegensatz zum Totgestein, welches Primärbesiedlern wie Cyanobakterien einen bevorzugten Ansatzpunkten bietet, bei Lebendgestein keine Freiflächen vorhanden sind.
    Diese Problematik wird nur weitgehend vermieden, wenn man anstatt Lebendgestein zu verwenden, dass Aquarium sofort mit größeren Mengen und größeren Stöcken Korallen besetzt und dabei auch nur ganz wenig Dekomaterial einbringt. Diese Verfahrensweise klappt heute oftmals sehr gut, allerdings sind die wenigsten Leute bereit - vor allem auch nicht Einsteiger ohne breite Kenntnis zur Korallenpflege -, sofort derartig teure Investitionen zu leisten.


    Der entscheidende Vorteil von Lebendgestein im Langzeitbetrieb liegt für mich aber in der Verarbeitung der organischen Abfallprodukte wie Futterreste, Fischausscheidungen usw.. In einem Becken mit totem Gestein können weitgehend nur diverse Bakterienarten eingebracht werden. Selbst mit Importkorallen wird im Gegensatz zu Jörg Kokotts Darstellungen (den ich an sich überaus schätze) kaum etwas anderes eingetragen. Auf dem lebenden Korallengewebe selbst siedeln nur wenige für uns nützliche Organismen. Natürliches Steinmaterial ist mit Importkorallen aus Gründen der Transportkosten kaum verbunden (wenn doch, dann wäre dies ja auch Lebendgestein). Meist werden die Korallenäste jedoch auf künstliches Trägermaterial aufgeklebt verkauft.
    Das Lebendgestein bringt dagegen normalerweise eine Vielzahl maritimer Kleinstlebewesen wie Bakterien, verschiedenste Würmer, Borstenwürme, Kleinstkrebse, Rädertierchen, Schnecken, Schwämme, Seescheiden, Algen usw. ein. Durch seine poröse Struktur bietet das Lebendgestein diesen Mikroorganismen den optimalen Siedlungsraum und setzt sofort die biologischen Abbauprozesse in Gang.
    Diese Organismen sind wichtig, um die anfallenden organischen Reststoffe aufzuspalten und zu verarbeiten. Dabei entsteht dann eine ganze Aufbereitungskette, bei der letztlich nur noch ganz feines anorganisches, biologisch inaktives Restdetritus übrig bleibt. Bakterien wirken dabei zwar auch mit, sind aber allein nicht in der Lage, diesen Prozess vollständig zu bewerkstelligen.


    Da sieht man dann häufig den Unterschied zwischen beiden Systemen. Ohne vollständige Aufarbeitung der Reststoffe verbleibt meist recht viel Mulm in den Aquarien. Man versucht dann mittels ausgeklügelter Strömungsverhältnisse diesen aus dem Becken zu bekommen, was aber auf Dauer so gut wie nie richtig gelingt. In der Regel verbleiben irgendwo im Aquarium Mulmansammlungen, die das Wasser mehr oder weniger stark belasten können.
    In meinem Becken, seit fast 20 Jahren im Betrieb und mit Korallen zugewuchert, sieht man Derartiges ohne jegliche Eingriffe überhaupt nicht.


    Gruß


    #Bernd

  • Noch einen Anmerkung: Selbst Deutschlands neues, derzeit größtes Riffaquarium mit seiner bekannten Korallenzucht im Naturkundemuseum Karlsruhe wurde trotz sehr hoher Kosten mit Lebendgestein eingerichet!

  • Ich würde tatsächlich eher vorgereinigtes totes Riffgestein, Riffkeramik und eine Reihe von Korallen aus Joes Korallenfarm zu Beginn miteinander kombinieren. Mit dem Lebendgestein habe ich mir früher mehrmals Glasrosen und andere Schädlinge ins Becken geholt. Diese wird man dann ehrlich gesagt nie wieder vollständig los ohne aus Lebend- Totgestein zu machen. Abspritzen, Einsatz von entsprechenden Fischen, Schnecken und Garnelen können diesen Mist lediglich nur in gewissen Grenzen halten.

  • Wenn du Nachzuchten nimmst ist das Risiko geringer. Ausgeschlossen jedoch nicht. Für Glasrosen hast du Kaiser oder Chelmon im Becken. Kugelalgen übernehmen Doktoren und Kaninchen. Borstewürmer werden von Lippies gefressen. Auch Montiporaschnecken und Acroporafressende Schnecken übernehmen Lippies. Bei deiner Beckengröße wirst du Fressfreinde einsetzen können. Das geht in Nanos nicht. Evtl den Bestand in Bezug auf Plagen planen.


    Aber bei Nachzuchten vermutlich unnötig


    Gruß Torben

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