Koralle-Artikel "Farmzuchten oder Naturentnahmen?"

  • Hallo zusammen,


    in der aktuellen Koralle gibt es einen sehr interessanten Artikel "Farmzuchten oder Naturentnahmen?", auf den ich hiermit hinweisen wollte. Der Artikel ist aus dem Englischen übersetzt, Autor ist Ret Talbot. Obwohl es in diesem Artikel ausschließlich um Fische geht, geht die Thematik darüber hinaus.


    In diesem Artikel kommen auch Wissenschaftler zu Wort, die sich professionell mit dem Thema beschäftigen, so z. B. Dr. Michael Tlusty und besonders pointiert als Bildunterschrift bei Dr. Andrew Rhyne: "Die Meeresaquaristik ist irrelevant, wenn sie nicht zum Schutz der Korallenriffe beiträgt".


    Was damit gemeint ist, wird im letzten Absatz "Ist Korallenfisch-Nachzucht der Goldstandard?" erklärt: "Anstatt den Riffen zu schaden, könnte das Meeresaquaristikhobby eine Rolle bei ihrem Schutz spielen, deren Bedeutung weit größer ist als dieses Hobby selbst, ja sogar größer als der Schaden, den dieses Hobby im Riff verursachen kann". Im Original nachzulesen bei Rhyne et al. (2014). In diesem englischsprachigen Artikel geht es übrigens auch um Korallen.


    Auch wenn es im Koralle-Artikel viel um Wirtschaftlichkeit geht, die Grundlage einer kommerziellen Nachzucht ist, wird das Thema Artenschutz mit seiner großen Komplexität wenigstens angerissen und aufgezeigt, dass die direktesten und einfachsten Antworten nicht unbedingt die besten und richtigen sind.


    Ich war jedenfalls ziemlich froh, da ich in aller Regel alleine dastehe wie ein Rufer in der Wüste, bestätigt zu bekommen, dass eine nachhaltige Nutzung von Wildbeständen im Sinne des Artenschutzes sein kann und sein wird. Die pauschale Aussage, dass Nachzuchten von allen gehaltenen Arten anzustreben und vorzuziehen seien, war für mich schon immer höchst fragwürdig, aus mir offensichtlich erscheinenden Gründen des angewandten Artenschutzes.


    Gerne diskutiere ich das und führe das genauer aus. Aber, lest den (die) Artikel! (Achtung, das war Werbung für die "Koralle", für die ich auch manchmal schreibe, von der ich aber darüber hinaus kein Geld bekomme) :winking_face: Und denkt mal über die hier gemachten Aussagen nach!


    Grüße


    Hans-Werner

  • moin hans-werner,


    was ich immer sage: wir pflegen die nahrungsmittel (und baustoffe) weiter bevölkerungskreise entsprechender regionen.


    wer seinen lebensunterhalt nicht mehr mit dem nachhaltigen fischfang für aquaristische nutzung mehr bestreiten kann, nutzt das riff vorrangig zur eigenen ernährung.


    bei der allerweltskoralle "stawberry-shortkake", die ja zu riesigen tischacros auswachsen, werden nur partiell einige äste geerntet, sodass der stock die lücke wieder leicht schliessen und weiter wachsen kann.


    nachhaltigkeit fängt vor der haustür an: solange die landwirtschaft und nutztierzucht hier im lande mit giften und medikamenten um sich wirft, wird sich die insektenpopulation und in folge die von vögeln und amphibien immer weiter zurück gedrängt.


    da helfen dann auch kein artenschutzgesetze in bezug nur auf das individuum.

  • Hallo Joe,


    da sind wir voll auf einer Linie! :thumbs_up:


    Mit grausen denke ich auch immer an die Hysterie in einigen Teilen hierzulande bezüglich Wölfe und Bären (besonders bei Leuten, die sich nur im Auto durch die Natur bewegen! :face_with_rolling_eyes: ), während wir verlangen, dass die wirklich recht gefährlichen Tiger z. B. in Indien geschützt werden sollen. Leider sind in diesem Land Scheinheiligkeit und doppelte Standards Standard.


    Was die Riffe angeht, sehe ich immer Probleme, sich in die Lage der Bevölkerungen und der Staaten hineinzuversetzen. Natürlich stehen bei beiden immer zwei Fragen im Vordergrund: "Wie kann ich es nutzen?" und "Wie kann ich damit Geld verdienen?", ist ja bei uns genauso. Hier gibt es ja schon Widerstände gegen Brachflächen und Flächen, die aus der Nutzung genommen werden sollen (Nationalparks, Bannwälder). Wenn man diese beiden Fragen in nachhaltige Bahnen lenken kann, ist sehr viel gewonnen. Ich sehe die Aquaristik und den Handel mit "wildlebenden Arten" als einen Schlüssel zu nachhaltiger Nutzung und Artenschutz, nicht nur der Korallenriffe.


    Im Artikel wird für die Überprüfung der Nachhaltigkeit auch auf die Notwendigkeit einer zuverlässigen Datenerhebung hingewiesen. Auch das ist natürlich richtig, die Nachhaltigkeit muss belegt und dokumentiert werden. Das würde auch den Handel vom Vorwurf befreien, eben nicht nachhaltig zu sein.


    Gruß


    Hans-Werner

  • Hey zusammen,


    ich weiß nicht ob sich das Thema nicht eh erledigt hat. Seit Jahren wird von Nachzuchten gesprochen und im Handel findet man die üblichen Verdächtigen, den Rest kann man an einer Hand abzählen. Entweder macht es ökonomisch keinen Sinn oder es funktioniert halt nicht bei den meisten Arten, keine Ahnung. Aber wirklich bewegt hat sich da aus meiner Sicht nichts.


    Leider weiß ich überhaupt nicht, unter welchen Bedingungen die Fische und Koralle gefangen werden. Es ist doch das gleiche wie bei der konventionellen Landwirtschaft und Tierhaltung. Es ist sicher nachhaltig, Kühe artgerecht zu füttern und halten, Massentierhaltung dagegen nicht. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Entnahme von Fischen und Korallen unter bestimmten Auflagen durchaus sinnvoll sein kann und zum Artenschutz auch beitragen kann. Aber dafür bräuchte man eine Art Siegel bzw. Zertifizierung, die verbindlich eingehalten wird.


    Was mich persönlich stört ist, dass so viele Fische angeboten werden, die eigentlich nichts in unseren Aquarien zu suchen haben. Ich habe ein 500 Liter Becken mit einem luftigem Aufbau und finde selbst ein Hawaii Doc zu groß. Gut, das ist Geschmacksache, aber wenn man immer wieder sieht, wie Paletten Docs in viel zu kleinen Becken gehalten werden, dann können einem die Tiere nur leid.
    Allerdings ist es müßig darüber zu diskutieren, wenn die Nachfrage da ist, ist das Angebot da. Ich würde sofort Fische kaufen, wenn sie aus zertifiziertem und nachhaltigem Fang kämen. Das wäre sicherlich ein Anfang, aber auch hier bin ich eher pessimistisch.


    Grüße


    Chris

  • Hallo!


    Das Thema ist/ war auf fast allen Aquaristikveranstaltungen der letzten Jahre ein gerne gern angebotenes Vortragsthema.
    Macht ja kaum einen Unterschied ob es dabei um den Neonfische am Rio Negro oder um einen Fischer in Bali geht.


    Was bei diesen Vorträgen die ich gehört habe nie ein Thema war.
    Gibt es vergleichende Untersuchungen zum Energieverbrauch und zur Umweltbelastung von Nachzuchten und Wildfängen?

  • Hallo Reinhard,


    ich kenne bislang keine vergleichenden Ökobilanzen, würde mich aber auch sehr interessieren. Wenn für Flugzeug-Kerosin realistische Preise bezahlt würden, könnte man die Ökobilanz am Preis ablesen.


    Der Ansatz von Samuel Nietzer ist ein etwas anderer: Er versucht gezielt Korallen mit gewünschten Eigenschaften zu züchten, z. B. hitzeresistente Korallen oder Korallen in Farben und Formen, die sich gut verkaufen lassen. Das könnte vielleicht zu "Designer-Korallen" ähnlich den "Designer-Clowns" führen. Bei den Korallen zählt das Argument, dass das nicht "natürlich" wäre oder aussähe wenig weil die vielen Aquarien mit ausschließlich oder überwiegend bunten Korallen in allen Farben ohnehin unnatürlich sind. Das wäre natürlich eine Hintertür, über die unabhängig von Nachhaltigkeits-Gedanken vermehrt Nachzuchten in die Aquarien kommen könnten.


    Grüße


    Hans-Werner

  • Da es sich bei Korallen ja nicht um gezielte Kreuzungen sondern das Vermehren durch Ableger handelt, ist das mit den gewünschten Eigenschaften eine spannende Sache. Geht eigentlich nur durch langsames Anpassen an die gewünschten Gegebenheiten und warten welcher Ableger das auf Dauer durchhält.

  • Hallo!


    Die Farbselektion bei Korallen für die Aquaristik ist ja nicht neu.
    Einige Experten habe das halt in den letzten Jahren ordentlich weiterentwickelt.
    Und ja, ich gebe es zu, ich sehe mir Bilder solcher Farbwunder auch gerne an.

  • Hallo Andreas,


    Samuel Nietzer beschäftigt sich mit der Vermehrung und Aufzucht von Korallen aus Larven. Da kann genau das gemacht werden, Stöcke unter kontrollierten Bedingungen gekreuzt werden um gezielt die Eigenschaften der Elternstöcke zu nutzen.


    Man könnte natürlich den so gewonnenen Nachwuchs nach einigen Jahren auch in einer F2-Generation weiter züchten, um zu sehen, wie sie aufspalten und ihre Eigenschaften weitervererben.


    Gruß


    Hans-Werner

  • Hallo Hans-Werner,


    allein schon Korallen aus Larven aufzuziehen und dann an der "richtigen" Stelle im eigenen Hausriff wachsen zu lassen wäre für mich persönlich schon mehr wert als jede "Ultra Krasso Superman" Koralle in grellbunten Farben.
    Bei der sexuellen Vermehrung und anschließender Aufzucht der Larven entstehen ja viel natürlichere (verästelte) Formen als man das bei der Fragmentation normalerweise bekommt.


    Viele Grüße,
    Rüdiger

  • moin,


    nunja, auch bei der fragmentation von kleinen ästchen oder sich verzweigende spitzen nach cut lässt korallen natürlich wachsen.


    und selbst der lange pinn oder das quadrat entwickelt sich zu seiner natürlichen wuchsform.


    eine sexuell erzeugte koralle unterscheidet sich (zum späteren zeitpunkt) nur im wissen darüber von fragmentationen :winking_face:

  • moin,




    und selbst der lange pinn oder das quadrat entwickelt sich zu seiner natürlichen wuchsform.

    Die richtigen Naehrstoffe und das passende Lichtspektrum vorausgesetzt. Ungenügende Lichtversorgung erzeugt bei den licht hungrigen Korallen meist skurrile Wuchsformen.
    Aber wem sage ich das..... :grinning_squinting_face:


    Gruss
    Hajo

    Trenne dich nicht von deinen Illusionen!
    Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren,
    aber aufhören zu leben.
    (Mark Twain)


    Wenn ich die See seh, brauch ich kein Meer mehr!

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!