Der Meerwasseraquarianer am Ende

  • Hallo Hajo,


    ich denke wir sind noch beim Kern des Themas, nämlich, weshalb Rüdiger Latka mit dem "Meerwasseraquarianer" aufgehört hat, ein derart pessimistisches und resigniertes Interview danach veröffentlicht, und ob das Druck-Verlagswesen generell eine Zukunft hat. Selten ist ein Thema so beim Kern des Themas geblieben wie dieses.


    Ob öffentliche Schauaquarien neue Riffaquarianer zum Hobby bringen? Wahrscheinlich schon. Sie zeigen, was heute prinzipiell in Aquarien möglich ist. Das würde ich aber nicht als die primäre positive Wirkung von öffentlichen Schauaquarien ansehen. Wie oben schon geschrieben, gewinnen öffentliche Schauaquarien m. E. ein breites Publikum für den Riffschutz. Ein gutes Schauaquarien vermittelt schöner, lebendiger und in 3D, was ein Riff in etwa ist, besser als jeder Fernseher mit noch so großer Bildschirmdiagonale. Die Wirkung von öffentlichen Schauaquarien würde ich diesbezüglich noch höher einschätzen als die des Tourismus, denn der Tauch- und Schnorcheltourismus, der sich für die Riffe interessiert, ist nur eine kleine Minderheit.


    Das ist aber nur einer der Gründe, weshalb sich die Riffaquaristik und ihre Fortschritte, die auch in öffentlichen Schauaquarien zum Ausdruck kommen, positiv auf den Natur- und Artenschutz auswirken. Für ebenso wichtig halte ich, dass mit der Riffaquaristik eine nachhaltige Riffnutzung im Prinzip möglich ist. Ich würde da also nicht Rüdiger Latka zustimmen, dass Fische zu 100 % aus Nachzuchten stammen sollten. Eine irgendwie geartete Nutzung der Riffe scheint mir für die dortige Bevölkerung unbedingt notwendig und auch außer Frage. M. E. kann diese derzeit eigentlich nur mit der Riffaquaristik und vielleicht mit bestimmten Tourismusformen nachhaltig erfolgen. Nicht nachhaltige Nutzungsformen sind z. B. Nahrungs-Fischerei, Steinbruch und Massentourismus. Das sind die Alternativen.


    Gruß


    Hans-Werner

  • Hallo Hans-Werner,


    mit Sicherheit haben wir keine so unterschiedliche Wahrnehmung der Dinge.
    Auch ich halte nicht viel davon, sich ausschliesslich auf Nachzuchten, sei es Koralle oder Fisch, zu konzentrieren. Es bleibt zwar ein hehres Anliegen, aber wie ich deinen Zeilen entnehmen kann, sind andere Gründe für die Regenaration der Riffe, und damit auch für die Nachhaltigkeit, maßgebend.
    Lasst uns aber einmal die Nagelprobe machen und den Meeresaquarianer in spe fragen, was er denn da so kauft. Nachzucht oder nicht. Das kann dir selbst der Erfahrene nicht auf Anhieb sagen. Es fehlen dafür die Informationen in der Breite. Hier wären wir wieder bei den Fachzeitschriften und deren Autoren. Solange es noch Händler gibt, die Wildentnahmen als Nachzuchten anbieten, nur weil damit einige Euro mehr zu verdienen sind, wird der Gedanke ad absurdum geführt. Auch deswegen verfolge ich diese Diskussion ganz entspannt.
    Ich möchte nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wissen. Sicherlich sind Nachzuchten ein Thema. Was mir aber fehlen wird, sind die vielseitigen Informationen in Wort und Bild. Und das auf z. T. hohem Niveau.
    Zur Nachhaltigkeit ein Beispiel:
    Als im Jahre 2000 die Expo ihre Pforten schloß, bekam ich aus der Auflösung des australischen Meerwasserbeckens einen Ableger von Duncanopsammia.
    Bis dato wahrscheinlich das erste Korallenstück dieser Art in Deutschland.
    Aus diesem Ableger sind mittlerweile eine große Anzahl von Stöcken entstanden, die an befreundete Aquarianer weitergereicht und vielfach untereinander getauscht wurden. Der Robustheit und Vermehrungsfreudigkeit dieser Art sei Dank!
    Noch bis zum heutigen Tag pflege ich diese Koralle. Nicht mehr das Urgestein, sondern eines seiner vielen Ableger.
    Dieses Verfahren lässt sich mittlerweile auf fast jede Koralle projizieren. Das ist auch gut so.
    Bestens kann ich mich noch an die Anfänge des Acroporen-Hypes erinnern.
    Um möglichst viele farbige Tiere zu ergattern, sind wir quer durch Deutschland gefahren. Damals zu horrenden Preisen, weil alles neu und Wildentnahmen.
    Das Bild hat sich heute gewandelt. Was zum grossen Teil damals dem Riff entnommen wurde, ist heute als Nachzucht zu bekommen. Durch einige Kniffs und Tricks manchmal besser in der Farbe stehend, als ihre Brüder und Schwestern in der Natur. Aber das ist ein anderes Thema. Jetzt schweif ich aber ab. :face_with_open_mouth:
    Mir tut es fast weh um jede meeresbiologische Fachzeitschrift, die letztendlich im modernen Antiquariat verschwindet. Auch bin ich frustiert auf diese Art von exellenter Information verzichten zu müssen. Ebenfalls tut es mir leid um die Autoren, ohne die das Salz in der Suppe fehlen wird.
    Damit geht ein weiteres Bindeglied verloren, welches zur Tragfähigkeit unseres Hobbys beigetragen hat.
    Aber Reisende soll man nicht aufhalten. Oder doch?
    Gruß
    Hajo

    Trenne dich nicht von deinen Illusionen!
    Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren,
    aber aufhören zu leben.
    (Mark Twain)


    Wenn ich die See seh, brauch ich kein Meer mehr!

  • Hallo Hajo,


    dass "Der Meerwasseraquarianer" als Fachzeitschrift fehlen wird, ist ohne Zweifel so. Ob die Möglichkeit besteht, dass sich jemand findet, der eine so gut eingeführte Zeitschrift weiterführt? Zu wünsche wäre es, und mit dem Autorenstamm könnte da sicher jemand ohne zu großes Risiko sein Hobby zum Beruf machen.


    Gruß


    Hans-Werner

  • Hallo Hans-Werner,
    hallo zusammen,


    das weiterführen dieser Zeitschrift wäre wohl eher Berufung im Sinne von Liebhaberei als Broterwerb. Ich habe höchsten Respekt davor, was der Verleger und das Team in den letzten Jahren fachlich geleistet haben, zweifel allerding eine stabile Monetarisierung des Printobjektes stark an. Im Bereich der Special-Interest-Zeitschriften lässt sich zweifellos gutes Geld verdienen. Allerdings wird dieses Geld nicht durch die stetig zurückgehenden Abonnentenzahlen verdient sondern durch Werbekunden. Hier wiederum drehen Auflage, Verbreitung und Zielgruppe an der Preisschraube. In Zeiten veränderter Mediennutzungverhalten ist ein reines Printobjekt für eine so kleine Zielgruppe nicht am Leben zu halten. Potenzielle Anzeigenkunden wären nur die wenigen Hersteller und diese geben ihre Etats verständlicher Weise lieber für digitale Werbeformen aus.


    So tragisch der Verlust des Magazins ist, geht doch die gesamte Diskussion bisher am Nukleus vorbei: Das Medium ist in dieser Form nicht mehr zukunftsfähig und nur durch eine (hohe) Investitionen und die Entwicklung und Umsetzung eines crossmedialen Konzeptes könnte man daran etwas ändern. Wir werden in den nächsten Jahren diverse Verlage (Tageszeitungen voran) an der Aufgabe "Digitalisierung" scheitern sehen.


    Hier bleibt leider nur eines zu sagen: Herzlichen Dank an Herrn Latka und das gesamte Redaktions-Team!



    Viele Grüße


    Sebastian

  • Nur mal etwas zu den Nachzuchten.


    Mir gegenüber haben verschiedene Händler gesagt, dass sie sich aufregen, dass die Anemonenfischnachzuchten derzeit zu Schleuderpreisen privat angeboten werden. das zeigt doch zumindest, dass noch ettliche Hobbyisten das biologische Interesse an den Tieren besitzen. Auf der anderen Seite wollen aber die Händler keine Nachzuchten zu vernünftigen Preisen abnehmen. Dieser Widerspruch ist doch das Problem, alle wollen nur verdienen, keiner unterstützt den Idealismus von wenigen. So werden wir nicht weiterkommen.


    Andererseits nützt es uns gar nichts, wenn wir mal veröffentlichen, was schon nachgezüchtet wurde, wenn dahinter die Masse fehlt. Vielleicht sollte man doch mal darüber nachdenken, im Sinne einer Umweltsteuer die Wildentnahmen teurer zu machen und das Geld in entsprechende Projekte einfließen zu lassen. dann wird auch die Nachzucht interessanter.


    beste Grüße


    Andre´

  • Hallo André, hallo zusammen,


    ja, ich glaube, dass ein gutes Management der Wildbestände mit Schonräumen usw., wie es scheinbar gerade für die Fischerei auf Hawaii entwickelt wird, die Fischpreise erhöhen würde. Auch bessere Export- und Importbedingungen für die dann teureren Fische würden den Preis noch einmal erhöhen. Da käme es vielleicht "automatisch" zu einer vernünftigen Co-Existenz von Wildfängen und Nachzuchten. Das Problem ist, dass ein gutes Management der Wildbestände mal angegangen werden müsste.


    Grüße


    Hans-Werner

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