Ursachen für Massenvermehrungen von Cyanobakterien

  • Hallo zusammen,


    ich zitiere mal aus Meyer-Reil und Köster, "Mikrobiologie des Meeresbodens": " Ein erheblicher Teil des fixierten CO2 wird als Reservestoff gespeichert. Der wichtigste Reservestoff von Cyanobakterien ist Glycogen, eine alpha-1,4-Polyglucose. Wie bereits erwähnt, wird die mikrobielle Matte während der Nacht anoxisch. Die Reservestoffe können also nicht veratmet, sondern müssen vergoren werden. Dabei produzieren die Cyanobakterien eine Reihe von niedermolekularen Gärungsprodukten wie Milchsäure, Essigsäure, Ameisensäure, Ethanol und gasförmigen Wasserstoff. Diese Gärungsprodukte sind ausnahmslos Substrate für die sulfatreduzierenden Bakterien."
    Bei unseren Oscillatoria-Cyanos handelt es sich zweifellos um Cyanobakterien, die als mikrobielle Matten wachsen.


    Sowohl die organischen Säuren (--> Karies) als auch die anaeroben Bedingungen sind bestens geeignet, Phosphatverbindungen in Lösung zu bringen. Bei den anaeroben Bedingungen besteht auch eine Brücke zu der nicht selten beobachteten Förderung von Oscillatoria-Matten durch Eisen und Spurenelemente. Eisen fällt Phosphate, die durch anaerobe Bedingungen und die so bewirkte Reduktion des Eisens wieder in Lösung gehen.


    Auch ein Mann, der Lehrbücher zur marinen Mikrobiologie und Bücher zur Mikrobiologie des Meeresbodens schreibt, Lutz-Arend Meyer-Reil, spricht hier ganz pauschal von Cyanobakterien und deren Verhalten und Stoffwechsel, auch wenn er an anderer Stelle differenziert in verschiedene Gruppen.


    Grüße


    Hans-Werner


    P. S.: Bernd, das mit dem richtig Lesen ist ein Tipp, den ich gerne zurückgebe. In der zitierten Stelle steht: "Im Bodensee tritt P. rubescens überhaupt nicht auf und auch andere Cyanobakterien sind nur in geringer Menge vertreten. Der Grund liegt in der instabilen Sommerschichtung des Sees." Was willst Du also den Forums-Lesern weis machen?

  • Hans-Werner, zum richtigen Interpretieren von Gelesenem gehört auch, dass man auf den Zeitpunkt der Entstehung achtet!


    Ich habe es weder nötig noch will ich den Forum-Lesern etwas "weis machen" . Hierzu nur beispielsweise einen von vielen aktuellen Berichten dazu:http://www.stuttgarter-nachric…1b-bf82-94516996f5e7.html


    Im übrigen erspare ich mir dir gegenüber weitere Kommentierungen. Die Forum-Leser können, wenn sie aufmerksam lesen, sicher ihre eigene Bewertung treffen.

  • Naja, Bernd, bezüglich des Phosphates im Wasser sind wir uns einig und was das unterschiedliche Auftreten in verschiedenen Aquarien im gleichen Kreislauf oder das unterschiedliche oder sogar nur lokale Besiedeln von Substraten angeht habe ich eine Erklärung und Du hast keine und beharrst darauf, dass es keine gibt, "es ist halt komplex". Ist dieser Stand der Diskussion korrekt wiedergegeben?


    Was den Bodensee angeht, sehe ich nicht, wie es die zitierte Aussage vom Bayerischen Landesamt verändert, zumal es vom Bodensee offenbar noch keine Untersuchungsergebnisse bezüglich Planktothrix gibt. In Deinem Artikel von Beitrag 9 ist von 5 aufeinanderfolgenden Jahren mit schwacher Zirkulation die Rede. Möglicherweise hat sich eine stabile Schichtung, zumindest im Sommer, ausgebildet. Vielleicht wird man sehen ...


    Jedenfalls gilt sowohl für den Bodensee als auch für den Ammersee, dass sich das N : P-Verhältnis erheblich zugunsten des N verschoben hat, nicht zuletzt wegen anhaltender und sogar steigender Nitrat-Einträge aus der Landwirtschaft, die auch von der EU angemahnt werden. Auch das ist ein Zustand, der Cyanos offenbar begünstigt, worauf ich schon lange hinweise und der in klarem Widerspruch zur (vorherrschenden?) Annahme steht, dass der größte ökologische Vorteil der Cyanos in der N2-Fixierung bestünde. Vielleicht ein Beleg, dass Beobachten und Schlussfolgern manchmal doch zum richtigen Ergebnis führt.


    Aber, "es ist halt komplex" ... :winking_face:


    Gruß


    Hans-Werner

  • Ja, Hans-Werner, nun - wenn wir also doch weiter diskutieren wollen - bezüglich einer herausragenden Bedeutung des Phosphates sind wir uns einig, aber unklar bleibt für mich, ob es letztlich der bzw. der alleinige entscheidende Auslöser ist, und fragwürdig bleibt für mich vor allem deine in meinen Augen zumindest zu generalisierende Schichtungstheorie.


    Ich sehe da weiter viele Fragen und Widersprüche:
    Setzen sich die Cyanos tatsächlich auf höhere Algen wegen möglicher (?) Abgabe von Nährstoffen fest, wenn im Wasser doch so viel N + P vorhanden sein muss, dass diese Algen gedeihen?
    Sind es wirklich die Phosphatquellen der Bruchkanten von Korallen, die Cyanos zum Andocken bringen, wenn es im Meerwasser zwar geringe, aber nie limitierte und im Aquariumwasser oft sogar höhere gelöste Phosphorangebote gibt oder ist es eben doch nur der von Konkurrenten freie Siedlungsraum?
    Warum sollen artspezifische Faktoren unbedeutend sein?
    Warum führen einerseits Überdüngungen zu Massenvermehrungen und andererseits Phosphorlimitierungen? Zwar ließe sich dies tatsächlich noch mit Sprungschichten erläutern, aber gerade am Bodensee haben sie sich erheblich verringert (stärkere Durchmischung in den letzten Jahren, gleichmäßige Sauerstoffkonzentrationen). Warum führen die vermuteten günstigen Bedingungen in den Aquarien nur manchmal zu Cyanoplagen, sind entsprechend fördernde Bedingungen bei der großen Zahl derAquarien, darunter auch mehr oder weniger schlecht gepflegte, doch vermutlich weit häufiger als tatsächlich auftretende Cyanoprobleme? Spricht da nicht vieles dafür, dass auch noch andere Faktoren (Temperatur, Licht etc.) mitwirken?
    Warum gibt es keine Hinweise, dass die - meist von eher erfahrenen Aquarianern betriebenen - Zeolithbecken, bei denen ja ein chronischer Phosphormangel vorliegen dürfte, besonders oft betroffen sind?
    Sind nicht auch Beleuchtungsverhältnisse (siehe Beitrag Joe) mitwirkend?


    Vom Zürichsee wird berichtet, dass dort Ende des 19.Jahrhunderts erstmal "Burgunderblutalgen" beobachtet wurden. Ihr Höhepunkt lag dann in den 40erJahren des letzten Jahrhunderts, in der Mitte der 60er Jahre - genau zur Spitzenzeit der Überdüngung - verschwanden sie aber und nun treten sie wieder auf. Deren Auftreten und jahreszeitlicher Zyklus wird primär mit dem Temperaturverlauf, nicht aber Phosphor in Verbindung gebracht.


    Und nochmals zum Bodensee: Entgegen deiner Annahme gibt es vom Bodensee sehr wohl Untersuchungsergebnisse bezüglich Planktothrix. Das Institut für Seenforschung der Landesanstalt für Umwelt, Messung und Naturschutz B.W. führt in zweiwöchigen Abständen ein Monitoring des Planktonpools durch und hat Planktothrix bestimmt.


    Bleibt also zu beobachten, können wir - im wesentlichen - mit der Vermeidung extrem armer Phosphatverhältnisse Cyanoplagen zuverlässig bekämpfen?


    Gruß


    Bernd

  • Hallo Bernd,


    eigentlich sollte das mein Resümee und Schluss gewesen sein. Dein letzter Beitrag hat eher den Charakter von Fragen.


    Die Cyanos auf den Algen sind ein Fall für sich, viele Algen sind aber in der Lage Phosphat direkt aus den Substraten (Fadenalgen, Bryopsis) oder aus dem Sandlückensystem des Bodens (z. B. Caulerpa) aufzunehmen und verlieren einen Teil des aufgenommenen Phosphates über die Oberfläche. Außerdem kann es auf den Oberflächen der Algen ebenfalls Anreicherungen geben, welcher Art auch immer, die die Cyanos begünstigen.


    Limitierende Bedingungen für einen Nährstoff können und werden oft nur für eine bestimmte Organismengruppe limitierend sein. Im Riff scheint es häufig (in der Regel?) so zu sein, dass die Korallen phosphatlimitiert sind während gleichzeitig die Makroalgen stickstofflimitiert sind. Ursache sind unterschiedliche Aufnahmesysteme und Wege der Nährstoffaufnahme.


    Dass der Bodensee einen höheren Sauerstoffgehalt bis zum Boden hat, bedeutet nicht, dass die Durchmischung besser geworden ist. Es heißt ja ausdrücklich, dass die Zirkulation in den letzten 5 Jahren sehr gering war. Der höhere Sauerstoffgehalt bedeutet, dass weniger Einträge von außen und weniger abgestorbene Algen am Boden für Sauerstoffzehrung gesorgt haben. Die Schichtung ist offenbar, z. B. durch Einstrahlung oder andere Faktoren, die die Temperaturschichtung beeinflussen, stabiler geworden bzw. die Durchmischung geringer. (Mit den fehlenden Ergebnissen zu Planktothrix meinte ich die Ursachen!)


    Der Temperaturverlauf und der Phosphorverlauf sind normalerweise bei Seen gekoppelt. Die Temperatur ist der Treiber der Umwälzung im Winterhalbjahr und der stabilen Schichtung im Sommerhalbjahr. Konkret ist es die Abkühlung des Oberflächenwassers im Winterhalbjahr und dessen Erwärmung im Sommerhalbjahr. Ensprechend wird das Phosphat im Winterhalbjahr verteilt und im Sommerhalbjahr ist es in der Bodenschicht "gefangen".


    Zeolith entfernt meines Erachtens, entgegen anders lautenden Behauptungen, zumindest im Meerwasser kein Phosphat sondern Stickstoff als Ammonium. Ich denke, die meisten Zeolith-Becken sind außerdem Kalkreaktor-Becken. Sie haben also für Cyanos ein ungünstiges N : P-Verhältnis.


    Sicher können Beleuchtungsverhältnisse eine Rolle spielen, das halte ich aber eher für sekundär.


    Arten spielen sicher eine Rolle, aber fast alle Riffaquarianer haben Problem mit drei makroskopisch unterscheidbaren Formen von Cyanos: weinrote Beläge mit glatter Oberfläche, blaugrüne Beläge mit glatter Oberfläche und dicke, braune bis rötlich braune Beläge mit rauher Oberfläche wie dicker Filz. Diese drei Formen stellen grundsätzlich wohl ähnliche Ansprüche, treten aber eher nicht direkt nebeneinander auf, also so ähnlich sind die Ansprüche dann doch nicht. Ganz anders sind Schizothrix (oben falsch als Schizochytrium bezeichnet, das ist etwas anderes) und Lyngbya in ihrem Auftreten.


    Gruß


    Hans-Werner

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