Ursachen für Massenvermehrungen von Cyanobakterien

  • Hallo,


    bei den Diskussionen über die Ursachen für Cyanoplagen in unseren Aquarien wurden ja zumeist überhöhte Nährstoffkonzentrationen durch vermutete Phosphatdepots im Bodengrund etc. oder Stickstoffquellen durch Gammelstellen genannt. Weiterhin tauchen auch immer wieder Theorien zu einem gestörten Verhältnisse zwischen den Nährstoffen auf, wobei hierzu bisher zwar klargestellt wurde, dass das gern angeführte "Redfield-Verhältnis" nicht einfach übertragen werden kann, andere Verhältniszahlen aber nicht eindeutig definiert wurden.


    Diese Erklärungsansätzen habe ich im Hinblick auf eigene Beobachtungen und auch diesen Theorien widersprechende Ergebnisse einzelner wissenschaftlicher Untersuchungen mehrfach bezweifelt. Es hat sich ja gezeigt, dass von neueingerichten Aquarien weit mehr berichtet wurde als von stabil laufenden alten Becken; es ist zudem regelmäßig zu beobachten, dass bei miteinader in einem Wasserkreislauf verbunden Aquarien die Plagen nur in einzelnen Becken auftreten (trotz identischer, möglicherweise gestörter Wasserverhältnisse) und eben auch aufgrund früherer Versuche vor Jahren mit Wilkens.


    Nun ist mir hierzu heute ein interessanter Zeitungsbericht aufgefallen. Demnach wurden seit kürzerer Zeit Massenvermehrungen von sogenannten "Burgunderblutalgen" im Bodensee festgestellt, die hier bisher nicht vorkamen. Bei diesen "Algen" handelt es sich in Wirklichkeit um Cyanobakterien der Ordung Oscillatoriales, die früher als Oscillatoria rubescens bezeichnet, inzwischen als Gattung Planktothrix rubescens bestimmt wurden. Zuvor war deren Auftreten nur aus einzelnen nährstoffarmen Gebirgsseen bekannt.
    Interessant für uns ist in diesem Zusammenhang, dass vom Bodensee durch Gewässerschutzmaßnahmen ein extremer Rückgang der Nährstoffverhältnisse berichtet wird, mit der Folge, dass die Fischer einen starken quantitativen Schwund des Fischbestandes beklagen und künstliche Aufdüngung des Sees fordern. Der Nährstoffmangel zeigt sich in einem dramatischen Rückgang der Planktonkonzentrationen, damit der Futterquellen für die Fische und nun im Gefolge in der Massenvermehrung der Cyanos.


    Auch wenn es sich hier im Süßwasser handelt, so müssen wir realisieren, dass die äußerst anpassungsfähigen Oscillatoriales auch zu den Hauptverursachern unserer Plagen gehören und Empfehlungen zur Nährstoffreduzierung in vielen Fällen möglicherweise genau in die verkehrte Richtung weisen!!! Dies erklärt auch, warum Cyanoplagen nach dem Minimieren oder gar vorübergehenden Aussetzen der Abschäumung nach meinen Empfehlungen bei einigen Betroffenen zum Erfolg geführt haben.


    Gruß


    Bernd

  • Hallo Bernd,


    das früher gerne empfohlene "Aushungern" von Cyanos ist meinen Erfahrungen nach ein echter Irrweg. Es wird alles verhungern, Fische und Korallen ganz zuerst, bevor die Cyanos eingehen. Sie sind extrem anpassungsfähig und können sich Nährstoffe z.B. aus Phosphatdepots und Detritus-Ansammlungen erschließen, wo andere Mikroalgen die Fahne streichen. Der sogenannte limitierende Faktor trifft deshalb meistens die Cyanos zuletzt, was dazu führen kann, dass sie sich bei Schieflagen in den Nährstoffen trotzdem noch ausbreiten können.


    Zusammen mit der hohen Vermehrungsrate sind sie halt ein Primärsiedler, der sich auf neuem oder von hungernden anderen Biofilmen aufgegebenem Siedlungsgrund schnell ansiedeln kann.


    Mein Rat ist deshalb meist auch, die Nährstoffe zu erhöhen bzw. den limitierenden Faktor zu beseitigen, damit die konkurrierenden Algen und Bakterien eine Grundlage bekommen, sich anzusiedeln. Man denke nur an die grünen Cyanos, die ja bekannt dafür sind, gerade bei sehr nährstoffarmen Aquarien aufzutreten.
    Zusammen mit dem Stören/Aufrühren von Belägen kann man mit etwas Geduld dann meist die Cyanos nach und nach eindämmen, ohne zur chemischen Keule zu greifen.


    Zusätzlich ist der Silikatgehalt interessant, da Cyanos und Dinos gerne im Gemenge mit Kieselalgen auftreten und sich teilweise von diesen zu ernähren scheinen.


    Letzter Punkt, den ich gerne abfrage ist die Strömung. Wenn diese zu schwach ist und sich viel Detritus ablagert vermehren sich an den Detritusstellen bevorzugt auch die Cyanos.

  • Hallo Sandy,


    wir sind da nahezu einer Meinung. Ich kann da alles unterschreiben. Lediglich hinsichtlich der Strömung bin ich anderer Meinung. Erstens beseitigt auch starke Strömung keinerlei Ablagerungen, sondern verteilt sie nur um und zweitens gibt es zumindest eine wissenschaftliche Untersuchung, bei der sich ergeben hat, dass gerade starke Bewegungen wie Strömung oder Verwirbelungen den Zusammenschluss der Cyanobakterien zu Matten fördern.Aber mir ging es jetzt primär ohnehin nur um die Nährstofffrage.


    Gruß


    Bernd

  • Hallo Bernd,


    das mit der Strömung hatte ich bei mir im Becken in der Einfahrphase beobachtet, den genauen Mechanismus, wie das nun ablief konnte ich aber nicht bestimmen. Da müsste man wohl die Bedingungen, unter denen dies stattfindet, einmal genau vergleichen.


    Die Vortech Pumpen haben ein Strömungsprofil, welches sich "Nutrient Transport" nennt und dazu dient, lose Partikel aufzuwirbeln und in die Wassersäule zu befördern, damit der Abschäumer diese erfassen kann. Das funktioniert tatsächlich, ist aber natürlich kein Wundermittel, welches alle Ablagerungen verhindert.


    In der Praxis ist meine Wühlmaus, der H. marginatus noch stärker mit der selbsternannten Aufgabe betraut, den Sand ständig hin und her zu schieben. Das ist manchmal wirklich schwer zu ertragen. :pouting_face:

  • Hallo,


    Das Phänomen ist aus dem Ammersee schon länger bekannt und in einer Promotionsarbeit (2002) untersucht. Siehe
    hier Kapitel 5. Die Veröffentlichung finde ich insgesamt lesenswert.



    Trotzdem gehen die meisten Untersuchungen im "Normalfall" von erhöhten Nährstoffwerten, insbesondere Phosphaten aus. Z.B. hier für die Ostsee.


    Gruß


    Wolfgang

    Die Aquaristik ist eine Liebhaberei, bei der die Liebe im Vordergrund stehen soll und nicht die Haberei!

  • Hallo Wolfgang, hallo zusammen,


    vielen Dank für den Link und den Verweis auf das Kapitel. Ich sehe einige prinzipielle Ähnlichkeiten zwischen den Cyanos Planktothrix im Ammersee und Oscillatoria im Meerwasseraquarium. Im Ammersee traten die Cyanos vor allem in den Jahren mit hoher Nitratbelastung und bereits deutlich abgesenkter Phosphatkonzentration auf. Außerdem trat Planktothrix nur in Seen mit stabiler sommerlicher Schichtung auf, eine Situation unter der die Oberflächenschicht an Phosphat zusätzlich verarmt ist. Erhebliche Teile der Wassersäule bieten also nicht mehr genug Phosphat, damit konkurrierende Planktonalgen gut wachsen könnten. In dieser Situation treten die Cyanos an der Sprungschicht zum phosphatreichen Tiefenwasser auf indem sie das dort vorhandene grüne Licht noch gut nutzen können. Es findet sich also auch im Ammersee kein Zusammenhang zwischen Stickstoffmangel und stickstofffixierenden Cyanos, das Gegenteil ist der Fall.


    Im Riffaquarium ist meiner Erfahrung nach die Situation oft sehr ähnlich. Insbesondere wird immer wieder berichtet, dass die Cyanos am Nachmittag verschwinden und am Morgen wieder auftauchen. Ich konnte das selbst so schon in stickstoffgedüngten Riffaquarien beobachten, also unter einer Situation, unter der kein Stickstoffmangel bestand. Diese Situation ist analog zu der Situation im Ammersee, nur dass im Riffaquarium die phosphatreiche Bodenschicht der Bodengrund selbst und das Lückenwasser des Bodengrundes ist. Das "Verschwinden" der Cyanos am Nachmittag ist in Wirklichkeit ein Abtauchen der beweglichen Oscillatoria in den Bodengrund nachdem durch die Photosynthese die Phosphatvorräte der Cyanos erschöpft sind. Mit leeren Phosphattanks dafür aber mit Kohlenstoffvorräten tauchen die Cyanos in den Bodengrund ab und nehmen Phosphat aus dem Lückenwasser auf. Falls das nicht ausreicht können sie evtl. sogar durch die Produktion von organischen Säuren zusätzlich Phosphate aus dem Bodengrund lösen, analog zu den Vorgängen bei Karies, wo Bakterien der Mundhöhle mit organischen Säuren, hergestellt aus Zuckern, den phosphathaltigen Zahnschmelz lösen. So werden über Nacht die Phosphattanks der Cyanos gefüllt und am Morgen kehren sie auf die Oberfläche des Bodengrundes zurück, um erneut Photosynthese zu betreiben. Dabei werden sie von reichlich Stickstoffverbindungen (Nitrat) im Wasser sogar begünstigt, wie auch im Ammersee zu sehen war. Einen zum Phosphatspeicher analogen Stickstoffspeicher gibt es bei den Cyanos nicht. Die Cyanos werden also auch im Riffaquarium von hohen Stickstoff-(Nitrat-)Konzentrationen und niedrigen und sinkenden Phosphatkonzentrationen im Wasser gefördert. Speziell werden sie dabei von Phosphatdepots im Bodengrund und Gestein gefördert, wo die Cyanos unmittelbar auftreten.


    Die Beobachtung, dass Cyanos gerade im frisch eingerichteten Riffaquarium gerne auftreten, bestätigt diese Zusammenhänge, die Phosphatkonzentrationen im frischen Sand und im +/- lebenden, vor allem aber in totem Riffgestein sind oft ziemlich hoch, tatsächlich so hoch, dass Phosphat in Lösung geht und erstmal eine gewisse Phosphatkonzentration auch im Wasser schafft. Betreiber von Korallenkalk-Reaktoren kennen die Phosphat-Problematik auch ziemlich gut.


    Grüße


    Hans-Werner

  • Hallo Hans-Werner,


    und nun eine dumme Frage: was passiert, wenn im Becken kein Bodengrund vorhanden ist?

    Beleuchtung: ATI Sunpower 8x80 Watt T5,Strömung: 2x Tunze 6105, Abschäumer: RE Double Cone 180 mit RD3 speedy, Balling Zeo und blaue Flaschen nach Gusto
    Extra bavariam non est vita et si est vita non es ita




    Viele Grüße
    Stefan

  • Hallo Hans-Werner,


    Ausgangspunkt für meinen Beitrag waren ja die Berichte über die gesunkenen Nährstoffwerte im Bodensee, die einen starken Rückgang des Phytoplanktons und ein gleichzeitiges, im Bodensee bisher nicht bekanntes Auftreten von Planktothrix verursacht haben. Die Annahme, dass hierbei abgesenkte Phosphatkonzentrationen primär ursächlich sind, bestätigen auch die Nährstoffwerte des Bodensees:http://www.umwelt.sg.ch/home/T…rzustand2016_Bodensee.pdf.


    Hinsichtlich der unterschiedlichen Trends der Dominaz zwischen verschiedenen Ordnungen, Gattungen und Arten von Cyanobakterien bei Phosphor- bzw. Stickstofflimitation findet man in einer Dissertation von Claudia Wiedner (insbes. Kapitel 3.3.6.1) interessante Ausführungen:http://webdoc.sub.gwdg.de/eboo…_cottbus/diss_wiedner.pdf


    Gruß


    Bernd

  • Hallo Norbert und Stefan,


    zwei hypothetische Fragen. Man kann meiner Meinung nach aber nur konkrete Fragen beantworten.


    Aber a) fast immer ist statt eines Bodengrundes irgend etwas anderes vorhanden, keine sterile Oberfläche. Es gibt evtl. Mulm, Kalkalgen, Biofilme, Ausfällungen usw.. Auch hier kann es zu Bedingungen kommen, die Cyanos begünstigen. Man muss aber auch den Rest des Beckens und dessen Zustand betrachten.
    Eine Ursache für das Auftreten von Cyanos ist die Ausschaltung der Konkurrenz, vor allem der Steinkorallen, durch Phosphatmangel. Dieser betrifft nämlich Steinkorallen härter oder alleine im Vergleich zu Fadenalgen und Cyanos. Wahrscheinlich können die Steinkorallen einige Spurenmetalle so effektiv verbrauchen, dass Algen und Cyanos schlechtere Aussichen haben wenn die Steinkorallen fit und kräftig wachsend sind.


    b) 100 % phosphatfreies Material gibt es praktisch nicht, alles nur eine Frage der Nachweisgrenze, das eine Molekül unter den Milliarden (wäre ppb oder µg/kg) und mehr anderen zu finden. Was soll denn das für ein 100 % phosphatfreies Material sein? Ich denke, solche Materialien sind entweder ursprünglich durchaus phosphathaltig oder das Material hat im Aquarium Phosphate adsorbiert und dabei vielleicht sogar dem Wasser entzogen, stellt es aber oberflächlich den Cyanos zur Verfügung.


    Grüße


    Hans-Werner

  • Hallo Hans Werner


    danke für deine Ausführungen.


    Grundsätzlich habe ich meinen Frieden mit den Cyanos gemacht, :winking_face: lese aber dennoch gerne mit wenn es darum geht, die Entstehung inkl. Ursachen und die Entfernung derer näher zu betrachten.


    Meine Erfahrung sagt mir auch, je mehr unbesetztes Substrat vorhanden ist, je eher nutzen Cyanos die Chance sicht zu dort etablieren.(Unterschiede des Materials mal aussen vor)


    In meinem Fall ist ja auf 200x180cm kein Sand vorhanden, nur die neue künstliche Deko als fixierte und teilweise vorhandene feste Bodenplatte.


    Wie du es beschreibst; am Randbereich dieser Bodenplatten waren sie für einige Wochen vorhanden. (das Material besteht aus Calciumgranulat +Polymer = Polymerbeton) An den Kanten der ca. 2-4cm Bodenplatten sammelte sich auch etwas Detritus +Kalkalgen.


    Dann zogen sie sich aber nach und nach zurück und belegten nur noch ein paar kleine Glasflächen an der Rückwand. (nicht gereinigt und voll mit Biofilm) Im Moment sind sie dort nur noch minimal vorhanden. Der PO4 Gehalt lag während sie aufkamen "konstant" bei 0.004mg/l.


    Jetzt liegt er bei 0.05 und der Spuk ist fast vorbei.



    gruß Norbert


  • Eine Ursache für das Auftreten von Cyanos ist die Ausschaltung der Konkurrenz, vor allem der Steinkorallen, durch Phosphatmangel. Dieser betrifft nämlich Steinkorallen härter oder alleine im Vergleich zu Fadenalgen und Cyanos. Wahrscheinlich können die Steinkorallen einige Spurenmetalle so effektiv verbrauchen, dass Algen und Cyanos schlechtere Aussichen haben wenn die Steinkorallen fit und kräftig wachsend sind.

    moin hans-werner,


    das nein.


    bei uns sind z. z. auch wieder verstärkt cvyanos in voll mit sps gestopften becken unterwegs, korallen wuchern trotzdem.
    (alles ein kreislauf)
    ursache könnte hier einer verstärkte detritusablagerung im sand einiger becken sein.


    allerdings gibts trotzt partiellen bodengrundaustausches auch auf dem neuen sand cyanos. ok, könnte man sagen,
    neu wird halt besiedelt.


    wobei in diesem 3m-becken es 2 unterschiedliche beleuchtungszonen gibt.


    der linke und verstärkt mit cyanos befallene bereich hat keine blauröhren drüber - der rechte bereich 50% blau.


    ein anderes becken mit 50% blau hat aber noch mehr cyanos, wobei hier es auch reichlich detritus im boden gibt.

  • Hallo Joe,


    die so häufig widersprüchlichen Beobachtungen könnten daher resultieren, dass wir immer einfach nur von Cyanobakterien ausgehen, die jeweiligen Arten aber gar nicht so genau bestimmen können. Deren Vielfalt mit ihren unterschiedlichen, ihre Massenvermehrung fördernden Eigenschaften und Ansprüchen, wird in der von mir angeführten Dissertation Wiedner recht deutlich.


    Klare, für den normalen Aquarianer umsetzbare Bekämpfungsstrategien lassen sich nicht finden. Die Ursachensuche bleibt zu Komplex, die Theorien zu vage und Analysemöglichkeiten für die Anwender meist unrealistisch.
    Trotzdem bleiben für mich als Erkenntnisse, dass bei der Ursachensuche - neben der Problematik der freien Siedlungsflächen - die Nährstoffverhältnisse im Wasser nicht einseitig in Richtung von Belastungen interpretiert werden können; auch Limitierungen sind möglich.


    Gruß


    Bernd

  • Hi,
    was mir in einigen Becken auffällt, die Cyanos sitzen zB auf den Seegrasholmen oder Algen.
    Die sind offensichtlich "nährstoffreich" da die Pflanzen ja auch dort vermutlich gelöste Nährstoffe aufnehmen....
    Sonst nirgends in den Becken.


    LG,
    Wolfgang

  • Hallo,


    in meinem 1000 l-Algenrefugium haben sie derzeit sehr stark ausgebreitet und sitzen sogar auf Drahtalgen und Caulerpa, ausgenommen ist lediglich eine schlecht beleuchtete Ecke. Dort wuchern Drahtalgen, die nicht von Cyanos besetzt sind.
    In meinem Riffbecken, mit dem Algenrefugium im Wasserkreislauf verbunden, finden sich dagegen ab und zu lediglich zwei winzige Stellen auf einer durch Vernesselung seit langem abgestorbenen Spitze eines Korallenastes. Dort werden sie von mir regelmäßig abgepinselt, kommen aber nach einigen Tagen immer wieder. Ansonsten ist das Riffbecken stets frei von Cyanos.


    Gruß


    Bernd

  • Hallo Joe,


    ist nur eine Möglichkeit. In aller Regel wachsen Steinkorallen und Cyanos sehr gut und ungestört nebeneinander. Mitunter wachsen sie aber auch auf absterbenden Steinkorallen und werden oft als Ursache der Schäden angesehen, was m. E. nie stimmt. Sie wachsen auf den freigelegten frischen Skeletten und evtl. auf den bereits absterbenden Korallen.


    Bei den typischen "Schmieralgen" handelt es sich im Riffaquarium nur um wenige Arten, wahrscheinlich weniger als eine handvoll (ich denke 3 häufige Arten), die relativ ähnliche Ansprüche haben. Danach kommen Lyngbia, Schizochytrium, Spirulina und einzellige coccale Arten, über die wir hier nicht diskutieren.


    Grüße


    Hans-Werner

  • Hallo,


    wenn es doch so einfach wäre! Es gibt über 250 marine Arten Cyanobakterien. Innerhalb der Arten existieren aufgrund ihrer hohen Mutationsfähigkeit zudem große Variabilitäten, weshalb schon allein die taxonomische Einordnung in ständigem Fluss ist.


    Gruß


    Bernd

  • Wo ist das Problem Bernd? Mindestens sieben habe ich schon aufgezählt, alle benthisch, tropisch, riffbewohnend. Dazu kommen noch die ganzen planktischen Arten, nichttropische, solche aus nährstoffreicheren Auftriebsgebieten usw.. Cyanos sind einfach vielfältig, können aber auch sehr verschieden aussehen, organisiert sein usw.


    Bis zum Beweis des Gegenteils sollte man die Sache nicht komplizierter machen, als sie ist oder scheint.


    Gruß


    Hans-Werner

  • Hallo,
    ich kann hier zwar nicht mit fachsimpleln, aber ich möchte meine kürzlich gemachte Beobachtung trotzdem hier mitteilen.
    Mein Becken, ca 3 Jahre Standzeit, wurde vor 4 Wochen undicht und ich war gezwungen in ein gleichgroßes Leihbecken umzuziehen, bis das neue, größere Becken fertig ist.
    Ich hatte immer hier und da diese Cyano-Beläge (optisch wie eine dunkelrote Schmieralge) auf den verschiedensten Stellen und Untergründen im Becken, aber ein Problem waren sie nie. In dem Becken hatte ich einen ca 2 cm dicken Bodengrund aus feinstem Sand.
    PO4 lag leider sehr hoch bei 0,4 mg/l und NO3 bei ca 12-15 mg/l. Gorgonien, Weichkorallen und Krusten kamen trotzdem gut damit zurecht. Als nun das Becken undicht wurde und ich mit ca. 70% des Altwassers, dem gesamten LS, Korallen, Fischen usw. in das gleichgroße Leihbecken umgezogen bin, habe ich komplett auf den alten Sand verzichtet und habe auch keinen neuen Sand verwendet.
    Soll heißen, gleicher Riffaufbau, gleiche Pumpen an gleicher Stelle, gleiche Tiere, nur diesmal keinen Sand.
    Das Ergebnis hat mich etwas verblüfft, denn die Wasserwerte waren nach 1 Woche wieder genau wie vorher, aber die Korallen waren schöner denn je. Sie wachsen schneller, haben ein noch üppigeres Polypenbild und die Cyanos, so wie ich sie immer hatte, sind weg.
    Erklären kann ich das nicht, aber ich dachte, ich berichte hier mal in diesem Zusammenhang darüber.


    Gruß Axel

  • hallo,


    ich möchte hier auch mal 2 beobachtungen widergeben:


    1- Wenn ich den Elefantenohrschwamm mit verdünnter Salzsäure wegspritze, habe ich ca. 1 Woche später im ganzen Becken (Standzeit seit 2005) einen Effekt im besseren Wachstum roter Cyanos, der dann langsam wieder zurückgeht. Aber ich muss mindestens 2 x absaugen.


    2. bin ich mir aus eigener Erfahrung sicher, dass bodenkauende Grundeln in älteren Becken das Auftreten von Cyanos fördern, da sie zum einen die Mikroorganismen, welche sich an Cyanos vergreifen, wegfressen, und andererseits die Phosphatdepots aus dem tiefen Boden hervorholen und für die Cyanos verfügbar machen.


    Diesbezüglich wäre vielleicht mal eine Umfrage interessant, wer ein Becken älter als 10 Jahre hat, sandkauende Grundeln pflegt und mit Cyanos probleme hat.


    beste Grüße


    Andre´

  • Das Problem, Hans-Werner, liegt darin, dass aufgrund der Vielfalt der Arten und Stämme mit ihren unterschiedlichen Eigenschaften und Ansprüchen keine monokausale Ursache für ihre verstärkte Vermehrung und deshalb auch keine eindeutige Handlungsstrategie für betroffene Aquarianer abgeleitet werden kann.
    Mal mögen es zu hohe Nährstoffkonzentrationen (PO4+NO3), mal zu wenig Phosphat, mal ein ungleiches Verhältnis zwischen Phosphat und Stickstoff und mal begünstigende Lichtverhältnisse oder sonst noch etwas sein.
    Und dann kommt noch hinzu, dass auch Aggregate aus verschiedenen Arten oder sogar mit anderen Algen und Dinoflagellaten vorliegen können.


    Aber deshalb eben wichtig für mich, mein Resümee in Beitrag 13.


    Gruß


    Bernd

  • Hallo Bernd,


    Deinen Beitrag 13 fand ich sehr verwunderlich. Weshalb eröffnet man einen Thread, um nach nicht einmal einer Seite ein Resümee zu ziehen mit dem Ergebnis "hat eh alles keinen Sinn"? Das ist mir dann doch etwas zu einfach gemacht.


    Außerdem spielt es kaum eine Rolle, ob es sich um unterschiedliche Arten mit unterschiedlichen Ansprüchen oder um eine ökologisch flexible Art handelt. Auch Bakterien haben die Möglichkeit unterschiedliche Bereiche ihres Genoms zu nutzen und sich auf unterschiedliche Bedingungen einzustellen.


    Außerdem ist es meiner Erfahrung nach durchaus so, dass man das Auftreten von Cyanos an bestimmten Bedingungen festmachen kann, selbst dann, wenn es nicht immer und überall die gleichen Bedingungen sein müssen.


    Gerade bei den von Dir aufgeführten Arbeiten und als mögliche Erklärung für unterschiedliche Becken im gleichen Kreislauf kommt als Erklärung, dass phosphatreiche und phosphatarme Zonen aneinander grenzen, in Frage. Auch, dass Cyanos immer wieder auf Algen auftreten, kann mit der Ausscheidung von Nährstoffen zusammen hängen.


    Gruß


    Hans-Werner

  • Salü Andre


    Ich habe solch eine von dir oben beschriebene Umgebung. Hatte zu hohe Phosphat und Nitratwerte und seit ich starke Phasphatabsorber UND Nitrat Massnahmen (Bactoballs und Pellets) einsetze sind die Cianos am kommen.


    Gruss
    Paul

  • Hallo Hans-Werner,


    das Thema habe ich erstellt, um aufzuzeigen, dass es nicht immer die hier herumgeisternden Phosphatdepots etc. sein müssen, welche zur Cyanobakterienplage führen. Dass es wohl keine einheitliche Ursache gibt, habe ich mit einem Link zu einer aufschlussreichen Dissertation aufgezeigt. Diese befasst sich mit den Faktoren, die je nach Art und Stamm der Cyanobakterien deren unterschiedliche Wachstumsdynamik fördern. Insofern finde ich es eher verwunderlich, dass es bei dir keine Rolle spielen soll, ob es sich um unterschiedliche Arten mit abweichenden Ansprüchen handelt. Natürlich sind Cyanobakterien sehr anpassungsfähig, trotzdem ist ihr genetisches Potential differenziert.


    Daraus schließe ich, dass es eben leider keinen einheitlichen Bekämpfungsansatz gibt, man aber durchaus auch versuchen kann, durch eine Erhöhung der Phosphatkonzentration eventuell Erfolge zu erzielen.
    Wenn du außer Theorien auch eine eindeutige erfolgversprechende Lösung hast, nur her damit. "Schichtungen" im Wasser überzeugen mich angesichts der heute üblichen Strömungsverhältnisse allerdings wenig.


    Gruß


    Bernd

  • Hallo Bernd,


    je nach Auslegung gibt es in vielen Becken doch eine Schichtung, nämlich meist zumindest eine klar erkennbare Schichtung in Bodengrund mit dem darin enthaltenen Sandlückensystem (Interstial), das ich oben schon erwähnte, und dem freien Wasser. Da das Wasser des Sandlückensystems meist höhere Phosphatkonzentrationen aufweist als das freie Wasser, grenzen mit der Bodenoberfläche auch verschiedene Phosphatkonzentrationen aneinander, nicht ganz unähnlich wie in stabil geschichteten Gewässern (--> Stratifikation) mit der phosphatreichen Bodenschicht und der an Phosphat verarmten Deckschicht.


    Ein ganz neuer Artikel beschäftigt sich mit der Auswirkung des Sauerstoffverbrauchs des Sediments auf das Bodenleben in überfischten Riffen und stell fest, dass dort, wo Fäkalien und ungeklärte Abwässer in das Riff eingetragen werden, der Sauerstoffverbrauch des Sediments ansteigt und damit auch die Bedeckung mit Cyanobakterien (--> Figures). Auch hier wird eine besonders starke Bedeckung von Makroalgen durch Cyanobakterien festgestellt. Die Ökologie findet also auch, dass in Riffen bestimmte Bedingungen das Aufkommen von Cyanobakterien begünstigen.


    Gruß


    Hans-Werner

  • Hallo zusammen,



    meine Gedanken zu den Cyanobakterien passen nicht ganz zum eigentlichen Thema. Ich schreibe sie trotzdem nieder, da man mit Erfolgen, auch wenn sie noch so klein sind, nicht hinterm Berg halten soll. Vielleicht hilft's einmal.
    Ich hatte in der Vergangenheit immer wieder einmal mit Cyanos zutun. Nicht nur in frisch eingerichteten sondern auch hin und wieder in Becken, welche bereits mehrere Jahre standen. Dort nicht selten nach dem Austausch von Bodengrund oder auf abgestorbenem, toten Material, wie z.B. Koallenaesten etc. Das laesst für mich den Schluss zu, dass andere vorhandene, konkurrierende Bakteriengruppen entweder mit der Neubesiedlung nicht schnell genug in die Strümpfe kamen, und dass auf den Oberflächen ein ehemaliges vorhandenes Gleichgewicht durch unbekannte Faktoren zumindest partiell gestört war. Es kann aber auch sein, dass bei älteren Becken bereits eine Verarmung der Bakterienvielfalt stattgefunden hat und sich dadurch einige Stämme nicht schnell genug durchsetzen können (Hypothese). Nun, wie auch immer....
    Im letzen Frühjahr wurde nach einigen Wochen mein frisch eingerichtetes Becken von dieser Plage heimgesucht. Da dieses Becken wegen Nichterfüllung des gesamten Auftrages wieder an den Lieferanten zurückging, war damit auch erst einmal das Problem mit den Cyanos vom Tisch. Allerdings hatte ich in den letzten der verbleibenden Wochen Besuch von einem Mitarbeiter eines bekannten Vertriebs von Bakterienpräparaten. Diese Firma hat sich freundlicher Weise den Luxus erlaubt, einen Mitarbeiter des Vertriebes vorbei zu schicken. Wir entschieden uns für einen Versuch, die sich ausbreitenden Cyanos mit zwei verschiedenen Bakterienpräparaten zu bekaempfen. Die noch verbleibenden Wochen verbrachte ich mit der Zugabe der Mittel, unterstuetzt durch eine partielle Absaugung der roten Matten. Es zeigte sich bis zur Auflösung des Beckens eine sichtbar leichte Eindaemmung. Mehr nicht.
    Den Neustart des jetzigen Beckens begann ich diesmal sofort mit der Zugabe der Bakterien. Unterstützt wurde dieser Vorgang durch eine wöchentliche Dosierung eines Kalkrotalgenboosters. Gestein und Korallenbesatz aus dem alten Becken wurden gesäubert und übernommen, der Bodengrund allerdings neu eingebracht. Man kann sagen, dass alle raeumlichen Besiedlungsflächen, inklusive Material, in etwa denen des vorherigen Becken entsprachen. Nach den Kieselalgen zeigten sich nach relativ kurzer Zeit die ersten dunklen Flecken der Kalkrotalgen. Grüner Belag machte sich dagegen rar. Für weiteres, algenfreies Substrat sorgten ein Flavescens und ein Bürstenzahner. Besonders Letzterer unermüdlich.
    Das Becken steht ausgezeichnete 6 Monate. Es sind keinerlei Cyanos aufgetaucht. Auch keine der anderen Vertreter der "Schmieralgen"-Gruppe. Nicht ein einziger Fleck! Falls die Cyanos latent vorhanden sind, dann haben sie sich gut versteckt!
    Die Bakterienauffrischungen habe ich mittlerweile stark reduziert, auch die Zugabe für das Wachstum der Rotalgen wurde auf ein Minimum beschränkt.
    Normalerweise hätte ich auf eine eventuelle Ausbreitung von "Schmieralgen" mit konventionellen Methoden reagiert. Da ich aber immer noch den Zustand des alten Beckens vor Augen hatte, und mich zugleich an gewisse Erfolge mit Bakterienpräparaten einiger meiner Spezls in der Meerwasseraquaristik erinnerte, entschied ich mich für den Neustart mit den Bakterienkulturen. Mit vollem Erfolg.
    Einen Beweis kann ich jedoch nicht liefern: Wie wäre der Verlauf bis zum heutigen Tage bei einem akuten Cyano-Befall gewesen? Leichte oder deutliche Eindaemmung durch die Zugabe der Bakterien? Oder Tendenz gegen Null?
    Der Zeitrahmen entspricht jetzt der Standzeit des alten Aquariums.
    Gruss
    Hajo

    Trenne dich nicht von deinen Illusionen!
    Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren,
    aber aufhören zu leben.
    (Mark Twain)


    Wenn ich die See seh, brauch ich kein Meer mehr!

  • Hallo Hajo,


    deine Beobachtungen mit dem bevorzugten Cyanobefall auf totem Material teile ich. Da sind die Cyanobakterien eben Primärbesiedler. Den Einsatz von Bakterienpräparaten halte ich allerdings für unnötig. Dass diese bei einer akuten Plage kaum helfen, hast du ja selbst festgestellt. Bei einer Neueinrichtung schaden sie sicher nicht, sind aber auch da in meinen Augen überflüssig, wenn man in das neue Becken ein paar lebende Steine und dann vor allem möglichst schnell einen relativ dichten Besatz einbringt.
    Bakterien aus den Präparaten werden nur überleben und sich vermehren, wenn ihre Lebensverhältnisse, vor allem das Nahrungsangebot, stimmen. Bei guten Bedingungen vermehren sie sich in kürzester Zeit von alleine. Hierfür reichen wenige Einzelexemplare, sie potenzieren sich. Die bringt man aber auch ohne teure Präparate mit Lebendgestein, Ablegern etc. ein.


    So habe ich auch selbst oder bei Freunden schon eine ganze Reihe Aquarien problemlos gestartet.


    Gruß


    Bernd

  • Hallo Hajo,


    das mit den freien Oberflächen ist nur eine mögliche Erklärung und für mich eine relativ schlechte. Nach dieser Theorie müssten Scheiben, die +/- häufig geputzt werden, die idealen Substrate sein. Ebenso neue Kuststoffteile und ähnliches.


    Meiner Meinung nach spielt der Phosphatgehalt eine erheblich größere Rolle. Frische Steinkorallenskelette werden allgemein bevorzugt von Algen besiedelt. Sie dürften eine besonders hohe Nährstoff-, insbesondere Phosphatkonzentration aufweisen. Ein nicht unerheblicher Teil des Phosphates, das Korallen für ihr Wachstum brauchen, scheint in den Skeletten zu landen. In der Regel hat auch frischer Korallensand eine hohe Phosphatkonzentration, die tatsächlich in vielen nährstoffarmen Riffaquarien mit der Zeit zurück geht. Durch die Kalkreaktor-Füllungen ist das auch ganz gut bekannt. Für mich ist in aller Regel die Phosphatkonzentration von Substraten die Erklärung der Wahl, und erst wenn ich damit nicht weiter komme, suche ich nach Alternativen. Bisher war das für mich das Plausibelste.


    Gruß


    Hans-Werner

  • Hallo Hans-Werner,


    warum sollten Aquarienscheiben etc. nicht befallen werden? In meinem Algenbecken kann man dies momentan gerade besichtigen? Nur werden diese normalerweise regelmäßig geputzt. Da bleibt dann keine Möglichkeit zur weiteren Ausbreitung.
    Auch Quarzkies, der eigentlich phosphatfrei sein sollte, kann nach meinen Erfahrungen besiedelt werden.


    Dass die Phosphatfrage widersprüchlich ist, zeigt sich ja gerade: Bodensee Cyanoproblem seit Rückgang des Phosphatgehaltes, Auftreten bestimmter Formen in nährstoffarmen Gebirgsseen, Untersuchungsergebnisse, wonach Phosphat bei verschiedenen Stämmen keine relevante Steuergröße ist einerseits - und andererseits Berichte über starke Vermehrungen in nährstoffbelasteten Gewässern.


    Ganz entscheidend aber, alle theoretischen Überlegungen, richtig oder falsch, haben mir bisher noch keinerlei praktischen Handlungsansätze zur Problemlösung gezeigt oder habe ich da Umsetzungsvorschläge überlesen?


    Gruß


    Bernd

  • Hallo Bernd,


    entscheidend ist eben das aneinandergrenzen relativ phosphatarmer und relativ phosphatreicher Bereiche. Im Riffaquarium sind das in aller Regel phosphatreiche Substrate neben phosphatarmem Wasser. Deshalb kommt es auch immer wieder zu einer starken Vermehrung der Cyanos wenn die Wasserwerte stark schwanken und Phosphat wieder zurück geht bzw. abgesenkt wird. Das entspricht exakt der Situation im Bodensee, wie bereits mehrfach dargelegt. In dieser Arbeit wird auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Cyanobakterien-Blüten ganz überwiegend in Seen mit stabiler Sommerschichtung vorkommen. Das ist eigentlich das basale Grundwissen der Limnologie, dass es in solchen Gewässern in der Regel im Winterhalbjahr zu einer Umwälzung des Wasser mit einer Verteilung des Phosphates kommt, worauf eine Algenblüte im Frühjahr folgt, die aber zurückgeht, sobald es zu einer stabilen Schichtung durch die Erwärmung des Oberflächenwassers und zur anschließenden Phosphatverarmung des Oberflächenwassers kommt. Mit der Algenblüte sinkt das Phosphat ab und wird unter den anaeroben Bedingungen in der Bodenschicht wieder gelöst. Die Verteilung geschieht aber erst mit der Umwälzung des Wassers im Winterhalbjahr.


    Wenn Cyanos an Scheiben auftreten, ist das in aller Regel an andere Algen gebunden, die auf oder in der Nähe der Scheibe wachsen. Dass Makroalgen ein gutes Substrat sind, hatte ich auch schon mehrfach gesagt. Das kann an der Absonderung organischer Substanzen liegen oder einfach an einer Freisetzung von Nährstoffen über die Oberfläche der Algen.


    In der Regel werden aber geputzte Scheiben nicht zuerst von Cyanos sondern von anderen einzelligen Algen zuerst besiedelt, erkennbar auch am grünlichen bis bräunlichen Farbton der Mehrzahl aller Scheibenbeläge. Die Theorie der Erstbesiedelung wäre damit für die meisten Scheiben hinfällig und auch auf die meisten Substrate einschließlich der Korallenskelette wird das nicht zutreffen. Die Korallenskelette sind schon vor dem Zurückweichen oder Absterben des Korallengewebes kein steriler Lebensraum sondern von Bakterien einschließlich Cyanobakterien besiedelt.


    Edit: Ergänzend kann man noch erwähnen, dass gerade der "Live Sand", der schon von Bakterien und anderen Mikroorganismen besiedelt ist, gerne von Cyanos besiedelt wird. Ich denke, es wird wohl am Phosphatgehalt liegen.


    Gruß


    Hans-Werner

  • Hallo Hans-Werner,


    in Teilen mag deine Theorie zutreffen, in Teilen erscheint sie mir zu spekulativ. Viele der von dir genannten Faktoren sind im Aquarium unvermeidbar und alltäglich. Klar zielführende Bekämpfungsstrategien lassen sich für mich daraus nicht unbedingt ableiten, allenfalls eben, dass man auch einmal an eine Erhöhung der Phosphatkonzentration denken sollte, wenn man mit sehr nährstoffarmen Verhältnissen fährt.


    Dass abgestorbene Korallenäste mehr oder weniger Phosphatanteile enthalten können, spricht ja in keiner Weise gegen die Beobachtung, dass sich hier Cyanobakterien als Primärbesiedler bevorzugt ansetzen, während sie auf anderem belebtem Material, etwa mit Kalkalgen bewachsenen alten Bruchstücken, kaum zu finden sind. Dies gilt auch für andere Materialien, weshalb ich bei Neueinrichtungen immer zur möglichst sparsamen Verwendung toten Dekomaterials rate.
    Dem entspricht auch meine Beobachtung in mehreren Riffgebieten, dass sich dort, wo Touristen auf Korallen herumgetrampelt haben, öfters mit Fadenalgen oder Cyanos befallene Korallenspitzen finden lassen.


    Dass in strömungsarmen Gewässern eher Schichtungen auftreten als in den heute meist stark und häufig sogar wechselnd beströmten Aquarien, liegt wohl auf der Hand. "Schichtungen" im Mikrobereich sehe ich da als arg spekulativ.Das gleiche gilt für die geschädigten Riffabschnitte.


    In meinem großen Algenrefugium treten Cyanos im Gegensatz zum damit verbundenen Riffbecken gelegentlich und in unterschiedliche Stärke auf, ohne dass bisher nachvollziehbare Veränderungen vorgenommen wurden. Das Refugium (1000 l) ist stark mit Drahtalgen zugewachsen, mein Riffbecken sehr stark mit Korallen, alles bei geringem Fischbesatz und vorsichtiger Fütterung.
    Aufgrund dieser Umstände habe ich immer sehr nährstoffarme Verhältnisse (NO3 zw. 0,41 und 1,5 mg/l, PO4 zw. 0,01 und 0,02 mg/l). Cyanos finden sich auch an frisch gereinigten Scheiben oder am Glaskörper eines nicht angeschlossenen Heizers, in stärkeren Konzentrationen in stark beströmten Bereichen. Die Theorie der Schichtungen überzeugt mich auch da absolut nicht
    .
    Mein einziger Anhaltspunkt wären allenfalls geringfügige Schwankungen in der ohnehin geringen PO4-Konzentration, etwa beim Ausdünnen der Drahtalgen. Dies werde ich zukünftig einmal genauer beobachten.


    Aber nochmals, wenn du aus deinen Überlegungen auch praktische Handlungsansätze ableiten könntest, wäre hier viele Leser sicherlich dankbar.




    Gruß


    Bernd

  • Hallo Bernd,


    dass das Wasser des Sandlückensystems in der Regel eine höhere Phosphatkonzentration aufweist ist keine Spekulation, eher schon eine Binsenweisheit.


    Handlungsansätze sind eingentlich einfach: Möglichst phosphatarmen Sand als Bodengrund, das Wasser nicht extrem an Phosphat verarmen lassen, Nitrat braucht man bei niedrigen Phosphatkonzentrationen gar nicht und keine einseitigen Stickstoffdosierungen (Aminosäuren, Nitrat etc.), das hilft nur den Cyanos, möglichst stabile Wasserwerte, keine Dosierungen von Orthophosphaten, keine oder geringe Dosierung von Eisen und eisenhaltigen Spurenelementen. Wenn sie doch da sind, absaugen bis sie weg bleiben.


    Dass auf vitalen Kalkrotalgen keine anderen Algen oder Cyanos wachsen, ist so. Deshalb sind aber Cyanos noch keine Primärbesiedler, nur weil sie nicht auf Kalkrotalgen wachsen. Sie wachsen, so wie einige Algenarten auch, auf frischen Substraten, weil diese einen höheren Phosphatgehalt haben als alte. Da die Algen und Cyanos den frischen Substraten das Phosphat entziehen, verringert sich mit der Zeit der Vorteil des Substrats, bis es genauso +/- gut oder schlecht für die Besiedelung geeignet ist wie die anderen alten Substrate auch.


    Edit: Übrigens gibt es sogar Aquarianer, die berichten, die Cyanos wüchsen auf einer bestimmten Stelle des Lebendgesteins, sonst nirgends, kämen dort aber auch immer wieder. Das ist mit einer Primärbesiedelung relativ schwer zu erklären. Einschlüsse verschiedener Art sind dagegen von Lebendgestein ganz gut bekannt.


    Gruß


    Hans-Werner

  • Hallo Hans-Werner,


    es kann schon gut sein, dass der Untergrund bzw. das Substrat dabei eine Rolle spielt.
    Momentan beobachte ich die Ausbreitung der Kalkrotalgen auf einer der Seitenscheiben des Aquariums. Die übrigen Scheiben sind einsehbar und werden daher frei von jeglichem Leben gehalten.
    Die Rotalgen konnten sich also im Verlauf von Wochen ungehemmt vermehren bzw. die komplette Scheibe überziehen. Sollte man meinen. Aber das Bild zeigt einen groben Flickenteppich roter Kalkalgen.
    Ähnlich verhält es sich mit dem Gestein. Mal ein Totalüberzug, mal grobe, unterbrochene Flächen. Es gibt also Stellen, die besonders schnell bevorzugt werden und solche, die entweder einige Zeit brauchen, und so in erster Instanz von Grünalgen oder schlimmstenfalls von der Schmieralgenfamilie besetzt werden. Es müssen nicht immer Cyanos sein. Die Licht- und Wasserparameter sind gleich, und obwohl die Strömungsverhältnisse stark variieren, ist das Ergebnis im Wachstum nicht sonderlich verschieden. Überwiegend Kalkrotalgen, dazwischen Lücken.
    Die Bakterien, wie auch die Rotalgen, besiedeln bevorzugte Flächen zuerst. Ich sehe da einen Zusammenhang. Etwa in der Zusammensetzung des Substrates, auf dem sie wachsen?
    Gruss
    Hajo

    Trenne dich nicht von deinen Illusionen!
    Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren,
    aber aufhören zu leben.
    (Mark Twain)


    Wenn ich die See seh, brauch ich kein Meer mehr!

  • Hallo Hajo,


    das muss nicht unbedingt vom Untergrund (also z. B. der Glasscheibe) abhängig sein. Viele Algen siedeln sich zunächst auf oder als Teil von Biofilmen an. Das kann nach dem Zufallsprinzip oder dem Chaosprinzip erfolgen. Da würde ich mich nicht festlegen wollen.


    Allerdings können die Kalkrotalgen sogar Glasscheiben scheinbar etwas abgewinnen. Ich hatte mal eine relativ junge Aquarienscheibe von Kalkrotalgen bewachsen lassen und diese haben die Scheibe förmlich "verätzt", also richtige Rauhigkeiten und Riefen hineingegraben.


    Gruß


    Hans-Werner


  • Hallo Bernd,



    man kann sagen, dass der Neustart mit dem Bakterienpraeparat eine Vorgeschichte in der Situation des alten Becken hatte. Wie schon geschrieben, hatten mich die Erfolge einiger Bekannten ermutigt, diesen Schritt zu wagen. Normalerweise bediene ich mich nicht solcher Mittel, aber in diesem Fall ist diese Aktion als Versuch einzuordnen. Auch möchte ich hervorheben, dass obwohl mir persönlich einige positive Fälle bekannt sind, der Vertreiber dieser Mittel eine Garantie nie in Aussicht gestellt hat. Wohl auch, weil vor Ort die unterschiedlichsten Gegebenheiten einen Strich durch die (biologische) Rechnung machen können.
    Die von dir beschriebene Methode nach "alter Väter Sitte" betreibe ich nun schon ein paar Jahrzehnte. So soll es mir auch einmal vergönnt sein, mich vom alten Pfad einmal zu entfernen. Auch wenn es nur einem erfolgreichen Versuch geschuldet war. :grinning_squinting_face:
    Gruss
    Hajo

    Trenne dich nicht von deinen Illusionen!
    Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren,
    aber aufhören zu leben.
    (Mark Twain)


    Wenn ich die See seh, brauch ich kein Meer mehr!

  • Hallo Hajo,


    erfolgreiche Versuche sind immer gut und dir natürlich ganz besonders gegönnt. :wink


    Hallo Hans-Werner,


    wir haben es im Aquarium doch nicht nur mit dem Sandlückensystem zu tun und im von mir beschriebenen oberen Riffbereich verhindern Strömung und Wellen ganz bestimmt eine Schichtung. Auch wenn du dich nun auf Schichtungen verbeißt, für mich bleibt dies teilweise eine Spekulation.
    Dass gerade Cyanobakterien Primäbesiedler sind, muss man wohl nicht besonders belegen, kannst du beispelsweise aber gern hier nachlesen:https://www.lernhelfer.de/schu…ie/artikel/cyanobakterien.


    Deine Handlungsansätze sind gut, treffen bei mir auch bestens zu, nur meine Cyanos haben sich leider nicht daran gehalten.


    Gruß



    Bernd

  • Hallo Bernd,


    auch bei den Korallenskeletten grenzt ein phosphatreiches Millieu, nämlich das frisch freigelegte Korallenskelett an ein phosphatärmeres Millieu, das freie Wasser, und die Cyanos bilden die Grenzschicht. Dass das Korallenskelett relativ phosphatreich ist zeigen auch die Fadenalgen, die Du ebenfalls erwähnst. Die Situation ist mit Riffaquarien absolut vergleichbar.


    Dass die Cyanobakterien im Riffaquarium wirklich Primärbesiedler sind ist mindestens ebenso spekulativ und obendrein relativ leicht zu wiederlegen, wachsen sie doch gerne auf höheren Algen und somit auf einem Lebewesen, dessen Oberfläche noch dazu vor der Besiedelung durch Cyanos auch von Bakterien und epiphytischen Mikroalgen besiedelt war, jede Wette.


    Meine These wirst Du nicht leicht widerlegen können, ich behaupte sogar, dass sie meistens zutrifft.


    Edit: Hallo Hajo, ich behaupte schon lange, dass die meisten Bakterienpräparate mehr aufgrund der Zufuhr von Nährstoffen und Nährböden funktionieren als aufgrund der lebenden Bakterien. Vielleicht ist mit einer toten (z. B. durch Erhitzen) Bakterienkultur der gleiche Effekt zu erreichen. Wäre mal interessant.


    Gruß


    Hans-Werner

  • Hallo Hans-Werner,


    deine These in Ehren, ich halte sie für viel zu weit hergeholt und kann gar nicht nachvollziehen, auf welche Quellenlage du diese beziehst. Mir scheint, dass sie wohl vor allem auf deinen eigenen Überflegungen beruht. In den einschlägigen wissenschaftlichen Publikationen die ich gelesen habe, tauchen Fragen der Schichtungen allenfalls am Rand im Zusammenhang mit unbewegten Binnengewässern auf. Bei Untersuchungen zu marinen Cyanobakterien spielen sie gar keine Rolle und in mir vorliegenden Arbeiten zu den Steuermechanismen der Wachstumsdynamik (Dissertation Wiedner und Dipl.Arbeit Jan Schrübbers) werden ganz andere Faktoren untersucht und bestimmt.


    Auch die Ergebnisse der Gewässerüberwachung im Bodensee widersprechen völlig deiner Annahmen. Demnach ist dort nämlich aktuell genau das Gegenteil von Schichtungen eingetreten! Während in den 80er Jahren Vollzirkulationen längere Zeit ausgeblieben sind und in deren Folge die Sauerstoffkonzentrationen in tiefen Bereichen erheblich absanken, können nun aufgrund besserer Durchmischungen stabile O2-Werte dauerhaft gemessen werden. Dagegen haben limitierte Phosphorkonzentrationen zu einem starken Rückgang des Phytoplanktons und damit zu einer Erhöhung der Lichtintensität geführt, was nunmehr das Aufkommen von Planktothrix begünstigt.


    Wiedner hat aufgezeigt, wie unterschiedlichen Faktoren die Wachstumsbedingungen verschiedener Arten (die bei dir ja angeblich gar keine Rolle spielen) steuern. Demnach begünstigen niedrige Nitrat-und Ammoniakkonzentrationen im Frühjahr N2-Fixierer (Nostocales), während diese im Sommer aufgrund limitierender Phosphorangebote und Lichtintensität durch Limnothrix und Planktothrix verdrängt werden. Infolge durch Eigenabschattung zurückgehender Lichtintensität dominieren dann Planktothrix; an windexponierten Stellen (damit weniger stille Wasserzonen mit Schichtungen ) besonders, weil es dort zu Sedimentdurchmischungen kommt, die Phosphor-und Stickstoffimpulse geben. Limnothrix überwiegen dagegen in Bereichen mit weniger Nährstoffimpulsen.


    Schrübbers, der neben taxonomischen Fragen insbesondere das Wachstumsverhalten von Oscillatoriales untersucht hat, konzentriert sich auf die Photonenflussdichte, auf pH-Werte, Salinität, Vitamin B-Bedarf, Verwertung anorganischen Stickstoffs und Fähigkeiten zur Stickstofffixierung.


    Hans-Werner, deine besondere fachliche Kompetenz im Bereich der Meeresaquaristik ist für völlig unbestritten und wird von mir hoch geschätzt, aber in Fragen der Bakteriologie oder Molekularbiologie gibt es für uns beide sicher Grenzen.
    Und was die Frage der Primärbesiedler betrifft, die Besiedlung eines Substrates (hier beschädigte Korallenspitzen) erfolgt im Rahmen der organismischen Sukzession, d.h. infolge der damit verbundenen fortlaufenden chemischen oder strukturellen Veränderungen in einer zeitlichen Abfolge der verschiedenen siedelnden Organismen. Diejenigen Organismen, die am Anfang dieser Kette stehen, werden als Primärbesiedler definiert und dies sind Cyanobakterien nun schon seit Beginn der Evolution.


    Gruß


    Bernd

  • Hallo Bernd,


    bezüglich Schichtung solltest Du Dir einfach mal Wolfgangs Link unter 5.5.2 durchlesen. Ich habe den Abschnitt auch angehängt: Pdf-Print_Bayerisches_Landesamt.pdf (1 x im UZS drehen)


    Meine Meinung: Selbst Denken und Schlussfolgerungen ziehen wird nicht schaden, zumal es Dir keiner abnimmt. Da verstehe ich Deine Gläubigkeit an ein paar wenige Quellen nicht, die eher nach der Sprache als nach der Eignung ausgewählt scheinen. Wiedner beschäftigt sich auch nur mit Seen. Da habe ich schon besseres gelesen. Ich glaube, im Meyer-Reil steht einiges über Cyanobakterien, sogar in Deutsch und sogar marin.


    Die Mikrobiologie beschäftigt sich großteils mit ganz anderen Problemen. Ansonsten weiß ich, was Sukzession und Primärbesiedler sind. Cyanobakterien sind vor allem Primärbesiedler von Felsen ("Tintenstreifen"), was Du anführst verdient m. E. die Bezeichnung Primärbesiedlung nicht. Kannst Du nachweisen, dass es sich um die erste Stufe der Sukzession handelt? Hast Du ein Mikroskop?


    Ansonsten werde ich mich weiterer Antworten auf Deine Postings enthalten. Für mich ist es offensichtlich, für Dich und vielleicht andere nicht, da werden wir wohl auf die Schnelle nichts ändern. Deinen Resümees kann ich auch wenig abgewinnen, sie sind m. E. wenig lösungsorientiert.


    Gruß


    Hans-Werner

  • Hallo Hans-Werner,


    dann solltest du die Quelle aber richtig lesen und nicht einzelne Faktoren, bezogen auch nur auf eine Art, auf alle Bereiche - vom Ammersee über Riffgebiete bis zum Aquarium - auf deine Gesamtthese übertragen.
    Dass die unterschiedlichen Arten auch ganz unterschiedlichen Wachstumsfaktoren unterliegen, zeigt Wolfgang´s Quelle genau wie die von mir genannten. Jeder interessierte Leser kann sich ja selbst sein Bild machen.


    Da Diskussionen mit gegensätzlichen Ansichten hier bekanntlich selten auf Akzeptanz stoßen, macht es wirklich Sinn, ein Ende zu finden.


    Gruß


    Bernd

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!