Phänomen des plötzlichen weiß Werdens von Korallen

  • Hallo,


    über dieses Phänomen wurde schon häufig berichtet und diskutiert. Meist geht man davon aus, dass plötzliche Veränderungen der Nährstoffverhältnisse Ursache hierfür sind. Manchmal wird von fetzenartigen Gewebeablösungen berichtet, häufig erfolgt jedoch nur ein völliger Farbverlust. Diesem dürften wohl Probleme mit den Zooxanthellen zugrunde liegen.
    Unter dem Thema "Korallen werden in kürzester Zeit weiß" hatte Nils in seinem Beitrag vom 22.10.2015 berichtet, dass dies nach einer kleineren Gärtner- und Räumaktion Korallen in seinem Becken betroffen hatte, die gar nicht unmittelbar betroffen waren.


    Vor zwei Tagen hatte ich eine größere Seriatopora caliendrum und eine Stylophora pistillata, die zu einem massiven Block zusammengewachsen waren, aus dem Becken genommen, weil ich am gewebefreien Sockel der Korallen einen Horst Kugelalgen (dem bisher einzigen im Aquarium) bemerkt habe. Die Kugelalgen wurden außerhalb des Aquariums mechanisch entfernt und hierzu auch ein Teil des Korallensockels abgebrochen. Bei dieser Arbeit hatten sich die Polypen dieser Korallen natürlich eingezogen, ganz kurze Zeit nach ihrem Rückstellen an den alten Platz begannen auch andere Korallenstöcke der gleichen Art, aber auch eine Seriatopora hystrix und Caulastreas furcata ihre Polypen einzuziehen. Bei den Caulastreas seltsamerweise nur die im Becken weit verteilte blaue Farbform, während die ebenfalls zahlreichen neongrünen Stöcke völlig unbeeinträchtigt blieben. Alle anderen Korallenarten, von diversen Acroporas, Montiporas, Pocilloporas, Pavonas bis hin zu Weich- und Lederkorallen blieben ohne jegliche Reaktion.


    Die Seriatoporas und Stylophoras wurden dann innerhalb weniger Stunden bis auf wenige Reste weiß, wobei weder Abgaben von Zooxanthellen noch Gewebeablösungen zu beobachten waren. Die blauen Caulastreas haben ihr Gewebe stark zurückgezogen, zeigen aber keinen Farbverlust. Die S.caliendrum zeigen nun noch Polypen, an einigen Stellen der Äste noch gefärbt, ansonsten aber größtenteils weiß. Ebenso verhält es sich mit den Styloporas, wobei ein weit weg stehendes Exemplar besonders stark betroffen ist.


    Alle Wasserwerte sind im optimalen Bereich, das Becken läuft schon jahrelange stabil, außer dem beschriebenen Hantieren gab es keinerlei Veränderungen oder Eingriffe.
    Bei mir ergibt sich nun die Vermutung, dass Korallen möglicherweise irgendwelche Signal- oder Hemmstoffe abgeben könnten, wenn es zu Verletzungen o.ä. kommt. Eine plötzliche Bakterienfreisetzung wäre vielleicht auch denkbar, aber der extrem kurze Zeitraum erscheint mir dem eher entgegen zu stehen. Seltsam finde ich, dass auch Caulastreas, hier aber nur eine Farbform, betroffen sind. Von Seriatopra hystrix wird ja gelegentlich von einem Absterben älterer Stöcke berichtet, S.caliendrum ist dagegen als sehr robust bekannt.


    Da ähnliche Beobachtungen, auch hier nach kleinerem "Gärtnern" bei einwandfreien Wasserverhältnissen und auch ohne sonstige negativen Bedingungen berichtet wurden und ansonsten andere SPS-Arten völlig unberührt bleiben, rege ich an, dieses Phänomen einmal unter diesen Gesichtspunkten zu diskutieren. Auf Eure Meinungen bin ich gespannt.


    Gruß


    Bernd

  • Hallo Bernd,


    genau durch so eine "Massivaktion" konnte ich meine Tricolor von 1/2 Jahr erhalten. Der XXL Stock war an einem Arm von Gewebeablösung betroffen, welche auch durch abtrennen des Arms nicht aufzuhalten war (imho aber kein Brown Jelly).
    Ich habe also den gesamten Stock rausgebrochen und außerhalb des Wassers massiv, nicht nur paar Minuten traktiert. Leider war mein Werkzeug+Kraft nur mangelhaft, für die teilweise echt bullig gewachsene Koralle.


    Die abgetrennten "Ableger" (aus 1 sehr großen, wurden 3 mittlerer Größe) stehen heute noch wie eine 1 und wachsen prächtig, auch die anderen SPS (u.a. auch der gleichen Art) waren komplett unbeeindruckt.
    Regelmäßig hängen bei mir auch die SPS beim WW an der frischen Luft. Beim auffüllen hinterlassen diese teilweise einen ordentlichen Belag auf der Wasseroberfläche (Stressgeschleime?). Auch das hatte noch keinerlei negativen Auswirkungen.

  • Hallo Bernd,


    es gibt bezueglich der Toxizität eine Untersuchung von 53 Arten und 11 Familien von Steinkorallen im Great Barriere Reef. Davon haben 41 Arten toxische Gifte. Wirkt z. B. tödlich auf Mäuse.
    Ob das hier zutrifft? Ist nur so eine Vermutung. Logischerweise müsste es sich hier eigentlich um langsam wachsende Arten handeln. Die schnellwuechsigen Korallen wissen sich ja anders zu wehren. Ich weiss nicht, ob dir das nützt. War nur so eine Idee....
    Dass eine bakterielle Infektion aeusserlich intakte, aber bereits geschwaechte Korallen zuerst den Garaus machen kann, ist auch nicht neu. Ist mir an einer Hysterix ueber Nacht passiert.


    Gruss
    Hajo

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    Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren,
    aber aufhören zu leben.
    (Mark Twain)


    Wenn ich die See seh, brauch ich kein Meer mehr!

  • Hallo Hajo,


    alle Korallen, auch die Hystrix waren in einem sehr guten Zustand. Ich denke auch eher in Richtung irgendwelcher Botenstoffe oder Toxine. Interessant ist für mich die ausgesprochen unterschiedliche Reaktion bei den anderen Korallen. Insbesondere bei den Caulastreas ist mir dies nur schwer erklärlich. Mal sehen ob von den Korallenprofis da noch weiter Idee kommen. Auch bin ich gespannt, ob sich einige Korallen wieder regenerieren.


    Gruß


    Bernd

  • Hallo Bernd,


    mit was für einem Werkzeug hast du die Korallen bearbeitet, evtl. waren an den zurückgesetzten Korallen, Metallspähen, die Schwermetalle ins Wasser gebracht haben, oder Stoffe die dem Werkzeug angehafteten führten zum Ausbleichen der Korallen!?


    Gruß Michael

  • Hallo.


    Bäume sprechen über ihre Symbiose-Pilze miteinander, warum nicht auch Korallen.
    Das manche anders reagieren finde ich auch normal.
    Wird eine Art von einem fremder Käfer oder Pilz befallen, muß das für die andere Art nichts bedeuten.
    Im besten Fall ist sie immun und bekommt mehr platz.


    lg tom

  • Hallo,


    ich sehe gerade, dass meine letzte Antwort irgendwie untergegangen ist. Also die verwendete Zange kann ich ausschließen. Sie benutze ich ausschließlich für die häufig notwendigen "Gärtnerarbeiten" in meinem dicht besetzten Aquarium.
    Alle Seriatopra caliendrum fahren inzwischen wieder ihre Polypen aus und scheinen keine Schäden zu haben. Teiweise ist dies auch bei der Stylophora pistillata der Fall, die ich aus dem Becken genommen hatte. Aber ausgerechnet die Stylophora am anderen Ende des Beckens, die also überhaupt nicht in der Nähe war und nicht berührt wurde, ist bis auf wenige Flecken immer noch weiß. Das gleiche gilt für die S. hystrix.
    Irgendwie scheint es tatsächlich einen wie auch immer funktionierenden Signalaustausch zu geben.


    Gruß


    Bernd

  • Hallo Bernd,


    es würde sich leichter diskutieren lassen, wenn man Fotos hätte.


    Wenn Du Korallen aus dem Wasser nimmst und hantierst, schleimen diese verstärkt ab. Der Schleim kommt ins Wasser und es werden vermehrt Stoffe wie Tetraterpene, Mucopolysaccharide, Proteine und Aminosäuren usw. an das Wasser abgegeben. Diese können bei Bakterien, Nährstoffen und direkt bei den Korallen oder deren Zooxanthellen alles mögliche auslösen. Dass eine Farbform der Caulastrea betroffen ist und die andere nicht, könnte ein Hinweis sein, dass es unterschiedliche Zooxanthllen-Kladen unterschiedlich stark betrifft. Unterschiedlich gefärbte Korallen der gleichen Art beherbergen oft unterschiedliche Zooxanthellen-Kladen.


    Gruß


    Hans-Werner

  • Hallo Hans-Werner,


    Fotos werden wohl keinen Sinn mehr machen, da sich das Erscheinungsbild bei den meisten betroffenen Korallen inzwischen verändert hat. In die von dir vermutete Richtung wird es wohl gehen. Mit Ausnahme der Caulastreas waren alle betroffenen Korallen aus der Familie der Pocilloporidae, unbeeinträchtigt blieben die Pocillopora damicornis. Ähnliche Probleme werden ja auch gelegentlich von anderen Aquarianern nach Arbeiten im Becken berichtet, wobei dieser Eingriff im Bereich des häufig Üblichen lag. Konkreteres wird man letztlich wohl kaum ermitteln können. Vielleicht ist es beobachtenswert von welchen Arten vornehmlich ähnliche Erfahrungen berichtet werden.


    Gruß


    Bernd

  • Hallo,
    vielleicht würde es helfen, die bearbeiteten Korallen vor dem wiedereinsetzen mit Meerwasser abzuspülen?
    So kämen vielleicht weniger Stoffe in Becken ?
    Ich mache das, wenn ich mehrere oder größere Ableger aufklebe, die kommen erst mal in ein kleines Becken bis der Kleber fest ist, so kommen weniger Schleim und Kleberreste ins Becken.


    Mir sind vor gut 2 Jahre nach einer größeren Gärtnerarbeit an den Palythoa schlagartig alle Montis ( 10 verschiedene) weiß geworden.


    Habe damals 2 große Salzeimer voll Korallen entsorgt, aber aus allen Bruchstücken, die noch am Gestein saßen, kamen die Korallen wieder hervor
    und sind wieder zu ordentlichen Stöcken herangewachsen.


    Ob sich die weißen Korallen auch wieder erholt hätten, kann ich nicht sagen, glaub ich aber nicht.
    Außerdem gebe ich nach größeren Eingriffen immer für 2 - 3 Tage, eine größerer Menge Kohle ins Becken und bilde mir ein das das hilft.


    Gruß,
    Frank

  • Hallo zusammen,


    Weichkorallen haben bei Gefahr die Angewohnheit nicht nur mit Überwachsen des Konkurrenten zu reagieren, sondern auch mit Verbreitung von Terpenen, Hemm- und Giftstoffen. So verschaffen sich manche Arten genug Platz im Riff.
    Warum sollten Steinkorallen nur von ihren Nematocysten, Cniden bzw. allen arteigenen Kampftentakeln Gebrauch machen? Man kann vermuten, dass sie sich auch bestimmter Eiweissgifte bei Stress bedienen Die Koralle kann ja nicht erkennen, welcher Feind sie da gerade am Wickel hat. Möglicherweise kann sie eine Bedrohung einschätzen und entsprechend differenzierter reagieren, als wir annehmen. Einem langsamen Heranwachsen der Konkurrenz begegnet sie anders, als dem abrupten Entfernen aus dem Wasser.
    Alles Hypothese. Das ist nur der Versuch einer Erklaerung. Mehr nicht.Kann sein, aber wiederum nicht. Ich konnte so etwas noch nie beobachten.
    Gruss
    Hajo

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  • Hallo Hajo,


    na dann sei mal froh, das es dich noch nicht getroffen hat :smiling_face:
    Ich kann dir sagen, das sind Erfahrungen auf die jeder liebend gerne verzichtet.
    Ich habe jedenfalls immer Bammel bei größeren Eingriffen wie die restlichen Korallen reagieren.


    LG,
    Frank

  • Hallo Hajo,


    bei mir war es nach den vielen Jahren ähnlicher Beckenarbeiten auch das erste Mal.


    Hallo Frank,


    das Abspülen mit Salzwasser werde ich künftig vorsichtshalber auch durchführen. Kohle habe ich im Technikbecken, mehr hätte wohl nicht viel genützt, denn es ging ja ganz schnell.


    Hallo Joe,


    dass du das Phänomen bei der Masse deiner Korallen auch schon erlebt hast, ist sehr interessant. Bei dir werden ja ständig Korallen umgesetzt und bewegt. Ich gehe davon aus, dass es trotzdem auch ein seltenes Ereignis war.


    Gruß


    Bernd

  • Hallo Bernd,


    ich mache das mit dem Spülen hauptsächlich wegen dem Kleben, da sich beim einsetzen immer Wolken davon lösen und im Becken verteilen.
    Aber natürlich wird auch der Schleim entfernt. Den Aufwand betreibe ich aber nur wenn ich mehrere oder Größere Ablegen klebe. Wenn ich nur einen aufklebe kommt der auch einfach so rein :smiling_face:
    Bevor ich mit größeren Arbeiten beginne, schaue ich auch immer das ich noch genug Osmosewasser habe und evtl. noch einen größeren WW zu machen. Das ging mir beim letzten mal auch in die Hose :loudly_crying_face:
    Natürlich war das Wasser all und die Anlage brauchte fast einen Tag um eine größere Menge zu produzieren.
    Vielleicht hilft der Tipp dem ein oder anderen.


    LG,
    Frank

  • Hallo zusammen,


    Wir dürfen beim Versuch unserer Analysen nicht den Fehler machen, die Ursachen zu verwechseln. Die Reaktionen der Korallen koennen aehnlich ablaufen, die Ursachen sind aber verschieden. Auf der einen Seite schädigen sich Korallen durch arteigene abgegebene Substanzen. Andererseits ist die Moertelbruehe sicher auch nicht ganz unschuldig an der Mortalitaet der Tiere. Beide enthalten giftige Substanzen. Noch nicht abgebundene, mikroskopisch kleine Klebeteilchen auf Korallengewebe sind eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Tiere. Beides zusammen wird zum Gau.


    Gruss
    Hajo

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    (Mark Twain)


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