Tropische Fische im Mittelmeeraquarium?

  • Hallo,


    mittlerweile sind ja eine ganze Reihe ehemaliger Rotmeerarten ins Mittelmeer eingewandert und mich würde deshalb interessieren, ob schon mal jemand den Versuch gemacht hat, diese ursprünglich tropischen Arten (z.B. Rotfeuerfisch, Gelbflecken-Igelfisch, Pyramiden-Kofferfisch, Weißfleck-Kugelfisch usw.) im Mittelmeeraquarium und damit bei Temperaturen auch um 18°C zu halten? Müssen ja nicht gerade die genannten Arten sein, die für "Normalaquarien" aufgrund der Größe und Schwimmfreudigkeit wohl eher ungeeignet sind.


    Interessant wäre für mich in diesem Fall auch, ob erfolgreiche derartige Haltungsversuche dann mit Tieren gemacht wurden, die tatsächlich aus dem Mittelmeer stammten, mit Tieren, die zumindest aus dem (im Winter ja auch recht kühlen) Roten Meer stammten oder ob Tiere aus dem Indischen Ozean oder gar Pazifik dazu eingesetzt wurden.


    Grüße, Florian

  • Hi Florian,


    interessantes Thema. Vor einigen Jahren habe ich im Fernsehen einen Bericht über "Warmwasser"-Fische gesehen, die im Mittelmeer vor der Küste Siziliens auftauchten. Unter anderem haben sie einige Hawaii-Docs im Mittelmeer entdeckt.


    Normalerweise hält sich die Wassertemperatur dort im Winter bei ca 15 Grad. Da ist es schon recht komisch, dass die Docs dort überleben. Ich denke mal, von der Wassertemperatur können sich die Fische -wie wir Menschen- anpassen.
    Na ja, bei richtig krassen Temperaturunterschieden wären sie wohl auch hin.


    Ich weiß gar nicht mehr, was die Wissenschaftler für eine Erklärung dazu hatten. Vielleicht hat es ja auch jemand gesehen oder kann es erklären. Ich bin ganz Ohr.

  • Hallo Feridun,


    die Anpassungsfähigkeit von (wechselwarmen) Fischen ist im Vergleich zu uns (gleichwarmen) Menschen sicher stark eingeschränkt, ich bin deshalb sehr skeptisch, wenn es um Temperaturdifferenzen von mehr als 5°C zum natürlichen Lebensraum geht.


    Aus eigenen Erfahrungen weiß ich aber, dass die Wassertemperatur im Roten Meer (Hurghada) noch im April bei nur ganz knapp über 20°C liegen kann, da dürfte der Unterschied zum südöstlichen Mittelmeer nicht allzu groß sein.


    Interessant zu wissen wäre in dem Fall von den Docs aber, ob die über mehrere Jahre nachgewiesen werden konnten. Ansonsten könnte es ja auch sein, dass die ein Aquarianer (die gib's schließlich auch in Italien) einfach vor dem Sommerurlaub dort entsorgt hatte und die nur ein paar Monate überlebten.


    Grüße, Florian

  • HI


    Nun ja, das mit den Hawaii Docs im Mittelmeer war wohl eher von irgendwelchen Aquarianern ausgelöst, die so ihre Tiere entsorgt haben. An der Ostküste der USA findet man im Spätsommer und Herbst immer wieder weit im Norden, bis nach Boston hoch Fische aus der Karibik (Falter, Kaiser, Hamlets). Die werden als Larven verdriftet und fühlen sich dort recht wohl, bis dann halt der Winter kommt. In geschützten bzw. künstlich aufgewärmten Bereichen wie dem Long Island Sound können einzelne harte Arten auch den Winter überstehen. Vor New York gibt es eine stabile Population von Rotfeuerfischen....rat mal wo die herkommen, bestimmt nicht aus der Karibik.
    Ob einzelne Arten auch bei deutlich tieferen Temperaturen gehalten werden können muss man wohl für jede Art spezifisch bestimmen, da kann man wohl kaum alles in einen Topf werfen. Bei einigen Arten geht das wohl sehr gut, bei anderen geht das nicht, s.o.


    Temperierte Arten im tropischen Becken halten geht bei einzelnen Tieren gut, z.B. Schnecken, Schlangensterne, aber bei Fischen schrumpft die Lebenserwartung z.T. dramatisch. Gerade in USA gibt es da einige Fische, die dort immer wieder in den Handel kommen, aber besser in kühleren Spezialbecken gehalten werden sollten, da sie sonst innerhalb von einem Jahr oder noch weniger "verheizt" sind, z.B. Catalina Goby, Garibaldi, Rosenblatti-Kieferfisch.


    Andersherum hat es wohl noch kaum jemand probiert, die meisten Leute haben halt tropische Becken und keine temperierten. Aber wenn man sich schon die Arbeit macht und ein temperiertes Becken pflegt, warum das dann mit "langweiligen" tropischen Fischen besetzen?


    Grüße
    Jens

    Von all den Dingen, die ich in meinem Leben bisher verloren habe vermisse ich meinen Verstand am meisten (Ozzy Osbourne)

  • Zitat

    Original von Feridun B.
    Ich weiß gar nicht mehr, was die Wissenschaftler für eine Erklärung dazu hatten. Vielleicht hat es ja auch jemand gesehen oder kann es erklären. Ich bin ganz Ohr.


    Ach jetzt weiß ich's wieder. Es ging ja um die globale Erderwärmung. Es wurden im Mittelmeer einige Fische und sehr wenige Korallen entdeckt, die normalerweise dort nichts zu suchen haben.


    Kurz gesagt: Die Fische und Korallen ziehen weiter.

  • moin,
    genau, das ist das eine: das mittelmeer ist etwas wärmer geworden. das andere ist, dass ja nicht alle arten des roten meeres einwandern, sondern anscheinend nur die, die etwas toleranter gegenüber kühleren temperaturen sind. der erwähnte kugelfisch hat ja zum beispiel ein schier riesiges verbreitungsgebiet weit über das rote meer hinaus.
    martin

  • Hallo,


    mit der globalen Erderwärmung wird im Moment ja irgendwie alles erklärt, bislang wird das im Mittelmmer aber sicher nicht viel mehr als ein Plus von 0,5°C im Jahresmittel ausmachen, ganz so entscheidend kann dieser Faktor also nicht sein. Habe jetzt keine Daten, aber ich kann mir schon vorstellen, dass trotz Klimaerwärmung die Temperaturen selbst im südöstlichen Mittelmeer auch mal unter 18°C fallen können (18°C sollen ja sogar im Norden des Roten Meeres nichts ungewöhnliches sein).


    Gibt offensichtlich Arten, die das abkönnen (für Rotfeuerfische sind 14°C belegt), andere dagegen sind sicher schon im Roten Meer an ihrer Grenze. Mir geht es deshalb konkret um Arten, die durch ihr Einwandern in das Mittelmeer schon belegt haben, dass sie dort auch gedeihen können. Und was mich eben insbesondere interessiert ist die Frage, ob dann diese Arten allgemein kälteressistenter sind oder ob nur die jeweiligen Lokalformen im Norden ihres jeweiligen Verbreitungsgebietes kälteunempfindlicher sind und sich deshalb auch an die Bedingungen im Mittelmeer anpassen können.


    Grüße, Florian

  • Ich habe einen Bericht (2003) gefunden, von denen ich einige Zitate rausgesucht habe:


    ...Rabito wie auch andere Freizeittaucher bekommen immer öfter Tiere zu sehen, die im Mittelmeer eigentlich nichts zu suchen haben. „Südlich von Sardinien“, berichtet Rabito, „sah ich sogar Kugelfische, Meerbarbenarten, wie sie eigentlich nur im Roten Meer leben, und auch Papageienfische, die nun wirklich nicht in unser Mittelmeer, sondern in Aquarien gehören“.....


    ...Das neue Problem heißt „tropicalizzazione“, die Erwärmung der Wassers auf tropische Temperaturen. „Das Mittelmeer war noch nie so warm wie in diesem Jahr“, weiß der Meeresbiologe Angelo Mojetta. „Fast überall ermittelten wir Werte um 32 Grad“, berichtete er, „und das sind mindestens fünf Grad zuviel“. Diese Erwärmung, die ein Phänomen ist, das Wissenschaftler schon seit Jahren beobachten, hat in diesem Jahr, so Mojetta, „den entscheidenden Kick bekommen, denn seit rund vier Monaten ist es in Südeuropa so warm wie schon lange nicht mehr“. Das freut Badeurlauber, macht den Biologen aber große Probleme.


    Durch die Meerenge von Gibraltar kommen immer mehr Tierarten aus dem Atlantik ins Mittelmeer. Der Suez-Kanal bietet Fischen aus dem Roten Meer einen bequemen Weg in die Gewässer vor Israel. „Von dort aus breiten sich die Tiere aus“, erklärt Mojetta, „denn auch das mittlere und nördliche Mittelmeer wird immer wärmer, wie in diesem Sommer, dann kommen diese tropischen Fische auch bis vor die Küsten Sardiniens und der italienischen Riviera“. Dem Meeresforschungsinstitut Icram zufolge wurden in den italienischen Gewässern 59 Fischarten gezählt, die aus dem Roten Meer stammen. 39 sind von den afrikanischen Küsten des Atlantiks über Gibraltar ins Mittelmeer eingewandert. „Das sind alles Tiere“, weiß Biologe Mojetta, „die sich perfekt den klimatischen Bedingungen anpassen und wesentlich kräftiger sind als die heimischen und durch Umweltverschmutzung geschwächten Tiere“. Das führe zu einem Verdrängungskampf, bei dem die heimischen Arten den Kürzeren ziehen...



    Wer den ganzen Bericht lesen möchte, der möge hier klicken: http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/Welt;art118,1898246

  • Und noch ein ganz aktueller Bericht vom 3.2.08:


    Zu warmes Mittelmeer
    Tropenfische verdrängen einheimische Fische


    ...Generell sei eine Wanderung der Fische nicht unüblich, doch bemerkenswert sei die rapide Veränderung in den vergangenen Jahren, geben die Wissenschaftler zu Bedenken. Der Mensch ist dabei nicht gerade unschuldig: Dank der Globlaisierung sind tropische Fische im Aquarium keine Seltenheit. Und falls man sich dann daran satt gesehen hat, werden viele von ihnen ins Meer geworfen - natürlich nicht in ihr tropisches Heimatmeer. Gegen eine Artenvielfalt ist eigentlich nichts einzuwenden, wenn sie nicht auf Kosten der alteingesessenen Fische geht. Denn auch im Meer gilt das Darwin'sche Gesetz: Wer sich besser angepasst, überlebt. Und die "eingewanderten" Fische sind laut Angaben der Wissenschaftler robuster als die einheimischen. Falls also nichts gegen die vielen Abfälle und die illegale Fischerei in Italien unternommen werde, gebe es bald keine einheimischen Fische mehr, warnen auch Umweltorganisationen wie Legambiente. Und der Leidtragende ist dann letztendlich der Mensch: Viele traditionelle Kochbücher müssten dann umgeschrieben werden.



    Der ganze Bericht: http://klimawandel.suite101.de….cfm/zu_warmes_mittelmeer

  • Hallo,


    das sind aber alles Sommertemperaturen, entscheidend werden für eine dauerhafte Ansiedlung von tropischen Fischen aber sicher primär ausreichend hohe Wintertemperaturen sein und da erinnere ich mich z.B. an Berichte über Kältetote in Griechenland und (fast noch aktuell) in der Türkei, Schneefall in Israel usw. usw., gerade in diesem Winter soll es im Mittelmeerraum doch wieder extrem kalt gewesen sein, sowas wirkt sich sicher -wenn auch durch die Pufferwirkung des Wassers abgeschwächt- auf die Wassertemperaturen aus.


    Ich denke, das mit der Klimaerwärmung ist einfach zu einseitig gedacht, unterschlagen wird dabei z.B., dass der Suezkanal für Rotmeerarten erst seit wenigen Jahrzehnten gangbar ist, weil die zwischenliegenden hypersalinen Salzseen als offenbar letzte natürliche Barriere erst mit der Zeit ausgesüßt sind.


    Außerdem wird dabei außer Acht gelassen, dass viele Arten nicht selber wandern, sondern z.B. über Balastwasser verschleppt werden, und zwar umso mehr, je mehr die Schiffahrt zunimmt.


    Grüße, Florian

  • Hallo Florian,


    das was man über Frost in Griechenland, Schnee auf Kreta etc. gehört hat, sind Kaltluftvorstöße, die die Meerestemperatur kaum beeinflussen. Die winterliche Durchschnittstemperatur, entscheidend für die Meerestemperatur, dürfte am Mittelmeer nicht gesunken sein.


    Grüße


    Hans-Werner

  • Hallo Hans-Werner,


    dass es im Mittelmeerraum generell kälter geworden ist, behaupte und glaube ich ja nicht, ich bezweifle nur, dass bereits eine so deutliche Erwärmung (Stichwort war ja „tropicalizzazione“), stattgefunden hat, dass man diese als allein entscheidend für das Einwandern tropischer Arten betrachten kann.


    Grüße, Florian

  • Hi Florian,


    nun, wenn ich die wissenschaftlichen Untersuchungsberichte lese (sei es auch ein kurzer Bericht), glaube ich daran, das sich das Mittelmeer "tropikalisiert".


    Wie die Fische ins Mittelmeer kamen, würde ich auch gerne wissen. Wie Jens schon sagte, sind Aquarianer auch einer der schuldigen. Aber alles den Aquarianern zuzuschieben, halte ich auch etwas für übertrieben.


    Irgendwie müssen die ja hierher gekommen sein. Dass sie aus Israel oder von Nordafrika sich weiter zu uns vorgedrungen haben, halte ich für eher wahrscheinlich.

  • Hallo Feridun,


    auf was für wissenschaftliche Untersuchungsberichte beziehst du dich denn? Was du bislang zitiert bzw. angeführt hast, hat ja mit wiss. Berichten nicht viel zu tun, das ist "Presse", da geht immer einiges unter, einiges wird übertrieben (macht sich besser), anderes aus stilistischen oder populistischen Gründen entsprechend aufbereitet, manches mangels entsprechenden Fachwissens der Journalisten falsch dargestellt usw.


    Wie gesagt, ich zweifle ja nicht daran, dass die Durchschnittstemperaturen im Mittelmeer in den letzten Jahren angestiegen sind, ich zweifle aber stark daran, dass ein durchschnittlicher Anstieg von 0,5°C oder von mir aus 0,6°C (um bei dem Wert zu bleibe, der in deinen Quellen angegeben wird) so eine zentrale Rolle spielt. Mag ein Faktor unter vielen sein, ja. Aber für mich bleibt das nach wie vor im gemäßigten bis subtropischen Bereich.


    Mir ist kein einziges Beispiel von der Etablierung einer reproduzierenden Population einer tropischen Fischart durch Aquarianer im Mittelmeer bekannt. Hab da aber auch zugegebenermaßen keinen Überblick über diesbezügliche Literatur.


    Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass jemand ernsthaft daran zweifelt, dass der Suezkanal für einen Großteil der Einwanderer das Tor ins Mittelmeer war und ist.


    Ich würde nur gerne wieder auf das eingangs gestellte Thema zurückkommen. Mir ging's mit meiner Fragestellung ja nicht darum, ob die Temperaturen im Mittelmeer im Schnitt jetzt um 0,6°C gestiegen sind oder woher die Einwanderer kommen usw., sondern ob jemand konkrete Haltungserfahrungen mit Rotmeertieren unter den Bedingungen eines Mittelmeeraquariums hat.


    Grüße, Florian

  • Zitat

    Original von Feridun B.
    Hi Florian,


    nun, wenn ich die wissenschaftlichen Untersuchungsberichte lese (sei es auch ein kurzer Bericht), glaube ich daran, das sich das Mittelmeer "tropikalisiert".


    Uuuuuups! Wissenschaftlichen Untersuchungsberichte war falsch ausgedrückt. Sorry.


    Ich meinte, den ersten Bericht von dem Meeresbiologen, der am Nationalen Meeresforschungszentrum Icram in Rom arbeitet und dort die Studien der letzten Jahren schildert.

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